„Verflucht sei der Erfinder der Zwei-Meter-Strohhalme.” Für
Jordi Cabrer sind die bunten Sauf-Röhren ein Symbol für die Exzesse
des Party-Tourismus an der Playa de Palma. Der Präsident des
dortigen Hotelverbandes befürchtet, dass die hohe Zahl von
Feiernden die Zone langfristig als Reiseziel zerstört.
Dabei will der Besitzer des Hotels Manaus um jeden Preis den
Eindruck vermeiden, Spaßurlauber seien nicht willkommen: „Ganz im
Gegenteil freuen wir uns über jeden Gast. Vor allem der gern
kolportierte Eindruck, wir wollten weniger Deutsche, ist so falsch
wie ungerecht.”
Rückendeckung erhält er seit Jahren von Joan Bauzá,
Tourismus-Dezernent der Stadt Palma. „Die alkoholisierten Urlauber,
die über die Stränge schlagen, stören andere Gäste wie Bewohner.
Und wenn wegen ein paar hundert lauten Säufern Zehntausende
Urlauber abwandern, müssen wir etwas unternehmen”, so der zweite
Stellvertreter des OB.
Die erste Maßnahme greift seit zwei Jahren: das
Nachtmusikverbot. Um 24 Uhr müssen die Musikanlagen im Freien auf
Konversationslautstärke gedrosselt werden, in der Praxis wird
Mitternacht abgeschaltet. Cabrer ist ein großer Fan dieses
Vorgehens: „Es kann nicht angehen, dass das Vergnügen relativ
weniger schlaflose Näche für ganz viele bedeutet.”
Gerald Arnstein, Direktor des Party-Biergartens Mega Parc, sieht
das genauso: „Bei uns ist um Punkt 24 Uhr mit der Musik Schluss”.
Danach könnten die Unentwegten in geschlossenen Räumen
weiterfeiern, etwa in Diskotheken oder Kneipen. Der Österreicher
wirbt aber auch für Verständnis: „Drinnen sind die Leute auch zu
Hause, und hier halt am liebsten unter freiem Himmel.”
Vor allem gibt es an der Playa ein gravierendes Image-Problem.
„Viele, die Mallorca nicht kennen, haben den Eindruck, die Insel
bestünde nur aus dem Ballermann”, klagt der balearische
Tourismusminister Celestí Alomar in seltener Einigkeit mit den
Hoteliers. Cabrer beobachtet auch, dass Gäste, die die Playa sehr
wohl kennen, diese nach Berichten in „einigen deutschen
Privatsendern” jetzt meiden, weil der „falsche Eindruck vermittelt
wird, der ganze Strand sei eine einzige Party-Zone”.
Die gibt es freilich, aber räumlich eng beschränkt auf den zum
Ballermann verballhornten Strandkiosk Balneario 6 sowie in den
Feier-Meilen der weithin bekannten Bier– und Schinkenstraße.
Das Phänomen der Spaß-Urlauber existiert fast so lange, wie es
Massentourismus an der Playa de Palma gibt. Der Pionier für
organisierten Kluburlaub heißt Heinz Müller („die tollen
Müller-Touren”). Vor 30 Jahren reisten seine ersten Gäste zum
Feiern nach Mallorca. Seine Kunden, zu 95 Prozent Gruppen, steigen
in Deutschland in ein Flugzeug, um auf der Insel ein paar Tage
feste zu feiern.
Pedro Prieto, Gesellschaftsreporter bei MM-Schwesterzeitung
„Ultima Hora”, beobachtete diese trinkenden Urlauber und stellte
einst fest: „Die Deutschen schwanken, aber sie schwanken
diszipliniert.” Im Unterschied zu den Briten, die in den 80er
Jahren aus Magaluf eine einzige Tränke machten, dabei nicht nur
nach Prietos Meinung jeglichen Benimm vermissen ließen und einen
ganzen Küstenstreifen in Verruf brachten, worunter er noch heute zu
leiden hat.
Heinz Müller hat in den letzten Jahren an der Playa eine
Veränderung des Publikums beobachtet: „Unsere Gäste waren schon
immer ganz normale Menschen, die sich auf Mallorca ein paar Tage
amüsieren. Aber es sind immer mehr junge Leute gekommen, und die
wissen oft nicht, dass es Grenzen gibt.” „Vor allem im Mai und
September, also der Vor– und Nachsaison, kommen mehr Erwachsene,
die mit dem Verein auf Abschlussfahrt sind”, weiß Gerald Arnstein
vom Mega Parc. In der Hauptsaison, also im Juli und August, ist das
Publikum jünger. Entsprechend reisen sie eher allein, ihre
Kaufkraft ist nicht besonders üppig.
Für Jordi Cabrer wäre das kein Problem, würden nicht so viele
dieser Gäste so vehement über die Stränge schlagen. Heinz Müller:
„Die Gäste müssen sich an die örtlichen Gepflogenheiten
anpassen.”
Viele finden finden das allerdings nicht, lassen ihre
Kinderstube zu Hause. Ergebnis: Bilder von Alkoholleichen und
Müllbergen am Strand. Jordi Cabrer: „Das schreckt doch normale
Urlauber ab.” Nicht ganz ungefährlich wird es, wenn die Flaschen
aus Glas sind und im Rausch einfach fallengelassen werden –
Scherben bringen bei barfüßigen Strandbesuchern nämlich kein
Glück.
Verbandschef Cabrer kritisiert hier mangelnde Aufsicht der
Behörden und begrüßt das Gesetz, das seit neuestem den Konsum von
Alkohol auf offener Straße verbietet. „Bitte schreiben Sie auch,
dass es sich dabei um ein spanisches Gesetz handelt, das ein
verbreitetes soziales Phänomen unter jungen Spaniern bekämpfen will
– und keinesfalls speziell gegen Touristen gerichtet ist”, fügt er
Image-besorgt an.
Seine Hoffnung: Wenn weniger Exzesse stattfinden, verzieht sich
auch das zwielichtige Volk wieder, das von den alkoholisierten
Urlaubern lebt. Manche lauern auf Alkoholleichen, die ihren Rausch
ausschlafen, um ihnen Geldbörse oder Tasche zu rauben. Andere
zocken sie mit Hütchenspielen ab, vor allem aber hat sich seit zwei
Jahren die Zahl der Prostituierten an der Playa sprunghaft
vermehrt.
Nachdem die meist afrikanischen Straßenmädchen von der Polizei
aus der Palmesaner Innenstadt vertrieben worden waren, haben sie
nämlich festgestellt, dass das Geschäft mit trunkenen Urlaubern
viel leichter ist. Außerdem locken sie ihre Freier oft in Fallen;
während die abgelenkt sind, lassen sie das Portemonnaie
mitgehen.
Hotelier Cabrer fühlt sich in diesem Punkt von der Polizei und
den Behörden allein gelassen. Erst wurden die Prostituierten quasi
an die Playa gescheucht, jetzt kümmert sich keiner um deren
Verschwinden. „Wir wollen in diesem Sommer eine deutlich erhöhte
Präsenz von uniformierten Beamten, damit sich die Gäste sicher
fühlen können”, fordert er. Dezernent Joan Bauzá kündigt, wie in
jedem Jahr, die „Operación Verano” an, bei der mehr Polizisten in
den Urlaubsgebieten für Ruhe und Ordnung sorgen sollen. 2001 waren
darunter auch Beamte zu Pferd.
Vieles davon, dessen ist sich Hotelverbandchef Cabrer bewusst,
ist lediglich Kosmetik. Denn: „Das Bild, das von der Playa de Palma
als Party-Zone gezeichnet wurde, war zum Teil völlig verzerrt”,
meint etwa Heinz Müller. Auch Tourismusdezernent Bauzá möchte die
Probleme relativiert wissen: „Dort, wo viele Touristen sind, wird
es immer ein paar Probleme geben. Aber unter dem Strich gibt es auf
der Welt nur wenige Orte, wo so viele Urlauber so sicher sind wie
an der Playa de Palma.”
Für Gerald Arnstein läuft sich das Phänomen bald tot und kennt
ein Beispiel aus der Heimat: „In den 80ern wurde auf Österreichs
Skipisten mit Champagner gehaust, heute macht das kein Mensch mehr.
In den 90ern war halt der Ballermann der Hot-Spot für Party. Die
Zeiten mit dem Koma-Eimern am Strand sind schon verbei.”
Dass der sprichwörtliche Kegelklub nach wie vor kommt, bestätigt
Müller: „Unsere Gästezahlen liegen seit Jahren stabil zwischen
25.000 und 30.000. Dieses Jahr verzeichnen wir sogar ein leichtes
Plus”. Sein Fazit: „Unsere Kunden kehren Mallorca nicht den
Rücken.”
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