Jaume Matas, konservativer Umweltminister in Madrid und zuvor Ministerpräsident der Balearen, über die Politik seiner Nachfolger und die Bedeutung des Fremdenverkehrs für den Wohlstand auf den Inseln
MM: Herzlichen Glückwunsch, Herr Minister!
Matas: Danke, aber wofür?
MM: Dass Sie wieder ins Consolat de Mar, Ihren früheren
Amtssitz in Palma, eingezogen sind – wenigstens als
Gemälde!
Matas (lacht): Nur als Gemälde! Ich bleibe in Madrid.
MM: Sie mussten sich gewaltig umstellen, als Sie vor zwei
Jahren nach Madrid gerufen wurden. Nicht nur, was die Arbeit
angeht: Das Gebäude Ihres Ministeriums ist riesengroß – fünfzig Mal
so groß wie das Consolat de Mar. Wieviele Menschen arbeiten
hier?
Matas: Ich habe ungefähr 12.000 Mitarbeiter. In meinem Amtssitz in
Palma waren es 50.
MM: Wie lebt es sich in Madrid, im Vergleich zu
Mallorca?
Matas: Viel schlechter. Die Lebensqualität Mallorcas ist nicht zu
übertreffen. Aber ich habe hier eine Aufgabe zu erfüllen, und
deshalb nehme ich die Nachteile Madrids in Kauf.
MM: Welche sind die wichtigsten?
Matas: Vor allem die Verkehrsprobleme. Es dauert hier sehr lange,
um von einem Ort zum anderen zu kommen. Man verbringt wahnsinnig
viel Zeit im Auto. Und es ist sehr laut.
MM: Wohnen Sie wenigstens ruhig?
Matas: Ich wohne im Zentrum. Da ist es selten ruhig.
MM: Was macht Madrid attraktiv?
Matas: Die vielen Möglichkeiten, die Freizeit sinnvoll zu
gestalten, vor allem das große kulturelle Angebot. Das kann eine
vergleichsweise kleine Stadt wie Palma nicht bieten.
MM: Was fehlt Ihnen hier vor allem?
Matas: Meine Familie. Obwohl meine Frau und mein Sohn in diesem
Jahr häufiger unter der Woche in Madrid waren als im ersten
Jahr.
MM: Und Sie sehen sie am Wochenende.
Matas: Ich fliege jeden Freitagabend nach Palma und am Montagmorgen
zurück.
MM: In Palma wartet die Partei auf Sie – und damit weitere
Arbeit.
Matas: Ich bin nun mal Vorsitzender der Volkspartei auf den
Balearen. Es macht mir auch Spaß, mit meinen Parteifreunden zu
diskutieren.
MM: Vor allem wahrscheinlich über die derzeitige
linksnationalistische Regierung, die Sie vor zwei Jahren abgelöst
hat. Was macht die Ihrer Ansicht nach falsch?
Matas: Lassen Sie mich zuerst eins feststellen: Auf den Balearen
hat es vor zwei Jahren einen Wechsel nach demokratischen Regeln
gegeben. Das war in Ordnung, weil es gut war für die politische
Hygiene auf den Inseln. Wer aber erwartet hat, dass die neue
Regierung die Probleme der Balearen in den Griff bekäme, der irrt.
Die Bilanz der Regierungsarbeit könnte nicht negativer sein.
MM: Warum?
Matas: Damals vereinten sich völlig unterschiedliche Parteien mit
dem einzigen Ziel, die Volkspartei am Weiterregieren zu hindern.
Dieses Bündnis ist unfähig zu regieren und eine homogene Politik zu
betreiben.
MM: Treten Sie bei der nächsten Regionalwahl in zwei Jahren
wieder in Palma an, als Spitzenkandidat Ihrer Partei?
Matas: Das weiss ich nicht.
MM: Ehrlich?
Matas: Ich bin kein Prophet. Ich bin Minister Spaniens, da liegen
meine Aufgaben und meine Verantwortung. An andere Arbeitsgebiete
denke ich derzeit nicht.
MM: Derzeit?
Matas: Mal sehen, was die Zukunft bringt.
MM: Zum Beispiel einen Wahlsieg Ihrer Partei auf den
Balearen.
Matas: Der ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wir werden die
absolute Mehrheit erreichen.
MM: Was macht Sie so sicher?
Matas: Weil die einzige vernunftbegabte und homogene Kraft auf den
Balearen die rechte Mitte ist. Auf der anderen politischen Seite
erleben wir den Kampf der fünf jetzt regierenden Parteien um die
Macht, jeder gegen jeden. Fünf Parteien mit verschiedenen
Interessen und verschiedenen Visionen in einem Bündnis – das kann
nicht gutgehen. Die PP ist die einzige homogene Kraft mit einer
klaren Vorstellung von der Zukunft.
MM: Der Chef der Münchner Schörghuber-Gruppe hat letzte Woche
gegenüber MM beklagt, die Linksregierung habe keine klare
Vision von der Zukunft, was Investoren stark verunsichere.
Matas: Da hat er völlig recht. In der jetzigen Regierung macht
jeder, was er will, unabhängig von dem, was die anderen tun. Da
kann keine klare Zukunfts-Vision zustandekommt. Meine Partei hat
sie.
MM: Und wird deshalb die Wahl gewinnen?
Matas: Auch deshalb. Vor allem aber, weil die Wähler am Geldbeutel
spüren werden, wie schlecht sie regiert werden. In anderen Regionen
Spaniens arbeiten die Regionalregierungen für ihre Bürger; auf den
Balearen wird dagegen keine Politik für das Gemeinwohl, für die
Erhaltung des Wohlstands gemacht.
MM: Sie sprechen den Tourismus an.
Matas: Der Tourismus wird von der Balearen-Regierung geradezu
verteufelt. Die wirtschaftliche Entwicklung der Inseln, der
Wohlstand ihrer Bürger hängt dabei jedoch ganz entscheidend von ihm
ab. Das regirende Linksbündnis spielt mit der Zukunft der Baleraren
und der ihrer Bürger.
MM: Was wäre die richtige Politik?
Matas: Nur das Tourismusförderungsgesetz befolgen und anwenden, das
unsere Regierung seinerzeit verabschiedete. Es gestattet zum
Beispiel nur noch den Bau von Vier- und Fünf-Sterne-Hotels und auch
nur dann, wenn dafür alte, billige Hotels abgerissen werden. Das
Gesetz zeigt, wie der für uns lebenswichtige Qualitätstourismus
gefördert wird, es ist der Schlüssel für anhaltenden Wohlstand.
MM: Woran hapert es noch?
Matas: Unglaublich, aber wahr – diese Regierung schert sich
überhaupt nicht um das Image der Inseln im Ausland und um die
Tourismus-Promotion. Mit unbedachten oder vorlauten Äußerungen –
zum Beispiel, dass die Balearen gewisse Urlaubergruppen nicht mehr
wollten und mit viel weniger Urlaubern auskämen – werden Gäste
vergrault oder zu anderen Zielen vertrieben. Und wie finden Sie es,
dass die Balearen als einzige spanische Region auf einer wichtigen
Tourismusmesse in Hannover nicht vertreten waren? Es ist
unfassbar.
MM: Ihr Hauptverwurf an die Regierung?
Matas: Sie unterschätzt total die Bedeutung des Tourismus für den
Wohlstand der Balearen-Bürger. Das ist unverantwortlich. Wir werden
viele Jahre brauchen, um den angerichteten Schaden wieder
gutzumachen.
MM: Aber sind Sie nicht auch für Reduzierung des
Billigtourismus?
Matas: Sicher. Aber doch nicht allein: Gleichzeitig müssen die
Inseln für Qualitätstouristen immer at-traktiver gemacht werden.
Vergessen Sie nicht – wenn Sie den Billgtourismus ab-schaffen,
gehen Arbeitsplätze verloren und werden Existenzen vernichtet. Auch
in der Gastronomie, in Supermärkten oder in Souvenirläden. Neue
Ar-beitsmöglichkeiten im gehobenen Segment müssen also her. Auch im
Umweltschutz. Die Urlauber stellen immer höhere Ansprüche an die
Umwelt am Urlaubsort.
MM: Also Qualitätstourismus über alles?
Matas: Es ist wichtig, das betuchte, zahlungskräftige Urlauber zu
uns kommen. Aber noch wichtiger ist, dass überhaupt Urlauber
kommen.
Mit Jaume Matas sprach in Madrid Wolfram Seifert
ZUR PERSON:
Der Mallorquiner Jaume Matas (45) hat eine Blitzkarriere hinter
sich. Der Volks- und Betriebswirt war von 1989 bis 1993
Generaldirektor im Finanzministerium der Balearen, von 1993 bis
1996 Finanzminister. 1996 wurde er als Nachfolger von Gabriel
Cañellas zum Ministerpräsidenten gewählt. Bei der Regionalwahl 1999
verpasste seine konservative Volkspartei PP die absolute Mehrheit
knapp; seither regiert ein Bündnis aller anderen Parlamentsparteien
die Inseln, Ministerpräsident ist der Sozialist Francesc Antich. Im
April 2000 wurde Matas, der auch Chef der Balearen-PP ist, von
Ministerpräsident Aznar in das Amt des spanischen Umweltministers
berufen.
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