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W arten ist „Harren der Dinge, die da kommen sollen”. Wartend verbringen wir geraume Zeit unseres Lebens. Sei es beim Friseur oder beim Zahnarzt, an der roten Ampel. Wir warten auf Post, auf die nächste Beförderung oder den nächsten Urlaub, dass die Kinder erwachsen werden. Wir warten auf Menschen, die wir lieben, wir warten auf bessere Zeiten, auf das große Glück. Gerade so, als wäre die Gegenwart nicht vorhanden, nur ein Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen der „guten, alten Zeit” und einem vielversprechenden „Morgen”.

Allenthalben versucht man, uns die Wartezeit zu verkürzen. Im Supermarkt dröhnt Musik, die uns daran hindert, nachzudenken, was wir in der kommenden Woche kochen könnten. Beim Friseur greifen wir flugs zu einer Illustrierten. Bloß kein Leerlauf. Spanier reagieren auf die zwangsläufige Wartezeit an der roten Ampel auf eigene Weise. Kaum ein Autofahrer, der nicht an einer Kreuzung eine Zeitung kauft, um beim Ampelstop die Schlagzeilen zu überfliegen.

So weit, so gut. Nichts gegen einen (sinnvollen) Zeitvertreib. Aber müssen wir die Zeit eigentlich immer und mit allen Mitteln vertreiben? „Time is money”, sagte der amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin (1706-1790) und legte diesen Satz seiner Politik zugrunde. Heute ist dieser Satz ein willkommenes und einleuchtendes Alibi für unsere Hektik, für unser Rennen, Eilen und Raffen.

Kaum jemand wagt noch, eine Phase des Wartens wirklich als solche zu akzeptieren. Wer wartet, ist nicht aktiv und damit nur bedingt ein nützliches Mitglied der Gesellschaft. Nur wer die Initiative ergreift, ist auf Erfolgskurs, wird es „zu etwas bringen”. Dabei bedürfen wir der Pause. Auch der Zwangspause des Wartens.

Wer weiß, vielleicht findet das große Glück schon heute statt und wir merken es nur nicht, weil wir mit Warten beschäftigt sind?
Vielleicht aber übersehen wir auch die wohltuende Wirkung des Sprichwortes, das sagt: „Die Zeit heilt alle Wunden.”