Martin Köhler war wirklich glücklich. Er wohnte gerade einen Tag
in Palma, und schon stand der Telefonica-Mann vor seiner Haustür
und wollte sein neues Telefon anschließen. Doch der deutsche
EDV-Fachmann freute sich zu früh. Zwei Tage später war seine
Telefonleitung tot, und Martin Köhler tat das, was alle hier auf
Mallorca tun, wenn sie ein Telefon anmelden wollen: Sie hängen
stunden-, und tagelang in der Leitung 1004. Der Standleitung der
spanischen Telefongesellschaft Telefónica.
,,Puedo ayudarle?” (,,Kann ich Ihnen helfen?”) zwitschert zwar
immer sehr freundlich das Telefonfräulein am anderen Ende der
Leitung, aber die angebotene Hilfe ist reine Worthülse. Selten
fühlen sich Kunden so verloren wie bei der spanischen Telefónica.
,,Das Wort Kundenservice existiert nicht in ihrem Sprachgebrauch”,
sagt Susana Schumacher, Beraterin in einem Telefonladen der Airtel
(Mobilfunk-Telefongesellschaft) in Llucmajor. Seit einem halben
Jahr ist sie darauf spezialisiert, Kunden beim Antrag für einen
Telefonanschluss bei der Telefónica behilflich zu sein. Nur wer
nicht müde wird, immer wieder die 1004 anzuwählen (der Anrufer ist
immerhin gebührenfrei), um dann bis zu 20 Minuten in der
Warteschleife zu hängen und schließlich bei einem Operator in einem
Callcenter in Bilbao oder Sevilla zu landen, der widerrum
zwitschert und mitteilt, dass er selbstverständlich den Antrag auf
einen Telefonanschluss nach Madrid zur Zentrale per E-Mail
weitergeben wird – nur derjenige hat am Ende Erfolg.
Auch Martin Köhler bekam schließlich sein Telefon. Er musste
lediglich innerhalb von zehn Tagen dreimal eine Änderung seiner
Telefonnummer in Kauf nehmen. Seiner aktuellen traut er noch immer
nicht.
Martin Ahlers hat allerdings im Vergleich zu vielen Deutschen,
die hier als Residenten leben, einen Vorteil: Er spricht fließend
Spanisch und konnte sich deshalb diese Tortour am Telefon zumuten.
,,Die meisten aber können das nicht und sind deshalb hilflos der
Telefónica ausgeliefert”, sagt Susana Schumacher.
Denn: Obwohl im Zuge der europäischen Deregulierung auch die
Telefónica vor zwei Jahren von Brüssel verpflichtet worden ist,
private Anbieter zuzulassen, verhält sie sich noch immer wie ein
Monopolist. Sie ist die einzige Telefongesellschaft, über die man
in Spanien einen Neuanschluss bekommt. ,,Das letzte Stück Kabel zum
Kunden hat sie sich vorbehalten”, erklärt Peter Bossert,
Vorstandsvorsitzender des amerikanischen Telefonmaklers American
Group (ein Dienstleister, der für den Kunden die optimalen
Telefongebühren aus dem Gesamtangebot auswählt). ,,Dadurch ist man
ihr als Kunde ausgeliefert.”
Eine Abhängigkeit, die richtig Geld kostet. Für einen
Neuanschluss berechnet die Telefónica umgerechnet rund 400 Mark.
Allein schon der Antrag auf einen Neuanschluss oder eine
Freischaltung kostet 28.000 Pesetas. Dazu kommen die
Anschlussgebühr von 1500 Pesetas, 2000 Pesetas für die
Installation, diverse hundert Pesetas für Dienstleistung wie die,
dass die Nummer des Anrufers auf dem Display erscheint (200
Pesetas) und 1000 Pesetas für den Fall, das das Telefon mal
kaputtgeht und die Telefónica jemanden zur Reparatur schicken
muss.
Was viele nicht wissen, weil die Kosten nicht in der
Telefonrechnung auftauchen: Die Telefónica berechnet sogenannte
Gesprächsaufbaukosten. Für einen Anruf nach Deutschland verlangt
sie 20 Pesetas, für ein Gespräch im lokalen Nahbereich
(Metropolitan-Tarif) 11'4 Pesetas. Hier kassiert nur die
Telefónica, weil die Margen in diesem Bereich für private Anbieter
zu gering sind (die schalten sich erst ein ab dem Provincial-Tarif,
d.h. bei Anrufen von Provinz zu Provinz). Dabei spielt es keine
Rolle, ob wirklich ein Gespräch zustande kommt. Es reicht schon,
wenn der Anrufbeantworter anspringt oder eine Telefonumleitung
aktiv wird. Gesprächsaufbaukosten erheben zwar auch einige private
Telefonanbieter, die meisten jedoch nicht mehr. Der Unterschied:
Diese Kosten entstehen erst, wenn tatsächlich gesprochen wird.
Was also tun, wenn man billig telefonieren will? Fakt ist
erstens: Nichts ist so teuer wie die Telefónica. Zweitens: Keine
Telefongesellschaft deckt alle Bereiche billig ab. Drittens: Um die
günstigsten Tarife herauszufinden, bleibt dem Kunden der Vergleich
nicht erspart. Insgesamt sind seit dem Deregulierungsverfahren 56
private Telefongesellschaften zugelassen. Von BT über Aló und
Jazztell bis zu Uni2 und Airtel. Sie alle nutzen die letzte Meile
der Telefónica bis zum Kunden. Große Gesellschaften wie Aló, BT und
Uni2 (um nur einige zu nennen) haben aber auch eigene
Glasfaserkabel zwischen den Großstädten. ,,Ono” bildet eine
Ausnahme. Die Telefongesellschaft schließt den Kunden auch auf der
letzten Meile an die Steckdose, nutzt also gar kein Netz der
Telefónica. Nachteil: Ono ist selbst in Palma noch nicht
flächendeckend.
Dann gibt es noch die sogenannten ,,Wiederverkäufer” wie Vicom
oder ,,ruf an & spar”. Das sind keine Telefongesellschaften mit
eigener Technik, sondern Gesellschaften, die bei großen
Telefonanbietern wie BT oder Aló ein großes Kontingent an
Telefonzeiten billig einkaufen. Darauf entwickeln sie dann ihre
eigene Tariftabelle, die natürlich die eigene Gewinnmarge
berücksichtigt. Im Ergebnis kommt es dann zu dem Phänomen, dass
Vicom die Minute nach Deutschland für 22 Pesetas anbietet, American
Group für nur 13, obwohl beide über Aló eingedockt sind. Grund:
American Group bezieht seine Kommission nicht vom Kunden, sondern
vom Anbieter.
Wichtig ist zu wissen: Wer sich für einen privaten Anbieter
entscheidet, kann trotzdem seinen Festanschluss behalten. Er bucht
lediglich bei einem privaten Anbieter einen sogenannten ,,call to
call”-Anschluss. Mittels einer vier- bis sechsstelligen
Einwahlnummer, die er vor die gewünschte Rufnummer stellt, wird er
automatisch bei dem günstigeren privaten Anbieter eingedockt, seine
Anrufe dort abgerechnet. Wichtig auch: Er kann sich bei mehreren
Anbietern einkaufen. Wem es zu mühsam ist, die Einwahlnummer bei
jedem Gespräch einzutippen, der kann sich diese Nummer automatisch
einstellen lassen. Technisch gesehen ist das kein Problem, und es
gibt auch keine Verzögerungen.
Alle Gesellschaften bieten verschiedente Tarife an. Von Nacht
bis Morgentarif, von Plan Hello bis zu Plan Europa. Auch für das
Telefonieren nach Deutschland gibt es Sondertarife. Die Telefónica
bietet hier zum Beispiel für 1500 Pesetas die Möglichkeit an, jeden
Tag ab 20 Uhr eine Viertelstunde telefonieren zu können. Andere
Anbieter wie ,,ruf an & spar” die Minute für 19 Pesetas. Was
der Kunde letzlich wählt – die Wahl der Qual hat er.
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