Eigentlich ist es keine Frage: Steuerhinterziehung ist illegal.
In Deutschland, aber auch in Spanien. Warum ist aber das
vorsätzliche Vorbeischleusen von Geld am Fiskus nicht nur in diesen
Ländern ein so beliebter Volkssport? „Weil die Steuern in dieser
Höhe ungerecht sind”, meint ein Anwalt, „und die Bürger sozusagen
die Belastung selbständig auf ein erträgliches Maß reduzieren”. Ein
Kollege des Juristen findet, dass die Steuern „in Deutschland auf
dem Papier extrem gerecht sind, das System aber sehr kompliziert,
so dass viele Sonderregelungen möglich sind, was es wieder
ungerecht macht”. Deswegen zahle ein Weltkonzern wie Siemens „in
Deutschland praktisch keine Steuern, weil sie die wegverhandeln
können”, formuliert er überspitzt. In Spanien dagegen seien viele
Steuern im Prinzip ungerecht – zum Beispiel die Erbschaftssteuern –
dafür kommt man (legal) praktisch nicht um sie herum. Das sei in
gewisser Weise wieder gerechter, weil sie jeder zahlt.
Das finden freilich nicht alle. Das Risiko der
Steuerhinterziehung hält sich dabei in Spanien durchaus im Rahmen.
„Die Grenze, bei der Steuerhinterziehung zur Straftat wird, liegt
bei 15 Millionen Pesetas (176.000 Mark), bis dahin handelt es sich
in jedem Falle nur um eine Ordnungswidrigkeit”, erläuterte Carlos
Ramallo Pallast, als Rechtsanwalt in Deutschland und Spanien
zugelassen, auf der Tagung „Steueranwalt International” in Punta
Negra. Warum 15 Millionen? Wie es scheint, weil Mariano Rubio,
ehemals Chef der spanischen Zentralbank, etwas weniger als diesen
Betrag hinterzogen hatte und vor Gericht sollte. Mit der neuen
Grenze, die mit der Einführung des neuen Steuerstafgesetzes im Mai
1996 festgelegt wurde, wurde ihm nicht mehr eine Straftat, sondern
lediglich eine Ordnungswidrigkeit vorgeworfen. Zufall?
Allgemein wird die 15-Millionen-Grenze in Spanien als
„Freibetrag” verstanden – schließlich muss unter dieser Summe
keiner in den Gefängnis, fällig wird jedoch neben der
Steuernachzahlung ein Geldbuße in Höhe von 50 bis 150 Prozent des
hinterzogenen Betrages. Ab 15.000.001 Pesetas und Vorsatz geht man
als Steuersünder unweigerlich in den Knast, so Ramallo. Wer die
15-Millionen-Grenze überschreitet, kann auch nicht auf Gnade in
Form einer Aussetzung der Haft zur Bewährung rechnen.
So oder so muss man erst einmal erwischt werden. Und das kommt
in Spanien häufiger vor als man denkt. Schließlich haben
Finanzämter einen guten Zugriff auf viele Daten, wie Ramallo aus
eigener Erfahrung berichten kann: „Da ruft ein Sachbearbeiter schon
mal die gesamten Vorgänge eines Steuerbürgers auf den Bildschirm –
in Deutschland undenkbar.” Dazu reicht die Steuernummer des Bürgers
– und die wird bei jeder Rechung, die man schreibt oder erhält,
egal, welcher Nationalität man ist, angegeben. So lässt sich jedes
Geschäft innerhalb Spaniens leicht nachvollziehen, vor allem, ob
dafür die entsprechenden Steuern entrichtet wurden. Erschreckend
sei, wie misstrauisch der spanische Staat gegenüber seinen Bürgern
ist. Andere wiederum finden das völlig berechtigt, weil praktisch
jeder auf die eine oder andere Weise Steuern hinterzieht. „Unter
dem Strich”, so ein mallorquinischer Abogado, „kommt in Deutschland
und Spanien bei der Steuer meist das gleiche heraus.” Die
Grunderwerbssteuer beispielsweise läge hierzulande doppelt so hoch
wie in Deutschland. Da aber die Hälfte der Kaufsumme regelmäßig am
Finanzamt vorbeigemogelt werde, lande im Endeffekt die gleiche
Summe im Staatssäckel.
Wenn die Steuerfahndung einmal einen Fall von Hinterziehung
entdeckt hat, sitzt man als Täter in der Regel in der Falle.
Während deutsche Bürger es gewohnt sind, von den Behörden streng
nach den Buchstaben des Gestzes behandelt zu werden, zeigen sich
Behörden in Spanien ähnlich flexibel wie die steuerpflichtigen
Bürger. Während letztere so wenig Steuern wie möglich zahlen
wollen, versuchen erstere, so viel wie möglich einzunehmen. „Das
Vorgehen lässt sich mit Erpressung am besten beschreiben”, meint
ein in Palma ansässiger Anwalt. Da wird die Steuerschuld schon mal
willkürlich um ein paar Millionen Pesetas nach oben korrigiert,
dafür aber der Vorwurf des Vorsatzes fallengelassen. Inklusive der
Geldstrafe ist dann der Steuersünder richtig arm dran – aber immer
noch besser, als das Risiko eines Prozesses und einer Haftstrafe
einzugehen. „Wenn man sich mit dem Finanzamt nicht einig wird”, so
ein Rechtsberater, „läuft man auch Gefahr, dass die Fahndung
sämtliche geschäftlichen und privaten Geschäfte unter die Lupe
nimmt”. Und da praktisch immer irgend etwas zu finden ist, ginge
man besser auf den Druck der Steuerinspektoren ein. Wo viele
Deutsche nach dem hehren Rechtsprinzip verfahren („hier stehe ich
und kann nicht anders”), suchen Spanier, ob im Recht oder nicht,
erst mal eine Lösung, mit der beide halbwegs klarkommen. Recht
haben und Recht bekommen sind in Spanien zwei besonders
verschiedene Paar Schuhe. Ruhig schlafen können Steuersünder
spätestens nach fünf Jahren: Dann ist die Tat verjährt.
Warum Spanier mit solcher Begeisterung Schwarzgeld-Geschäfte
machen, ist einem bekannten deutsch-spanischen Anwalt ohnehin nicht
klar: „Die können doch ihr ,dinero negro' nur für leichte Mädchen,
Sekt und Reisen ausgeben”, mutmaßt er. In einem Fall habe er ein
Immobiliengeschäft abwickeln helfen, bei dem markant verpacktes
Schwarzgeld zum Verkäufer geflossen sei. Einige Jahre später, habe
er diesem bei Kauf einer Finca geholfen – wobei derselbe Mann,
damals Verkäufer, jetzt Käufer, genau dieselben Päckchen
Schwarzgeld wieder benutze. Und zwar originalverpackt. Die einzige
Erklärung für die Schwarzgeld-Kultur in Spanien sieht der Jurist
deswegen in der Macho-Mentalität vieler Spanier: „Die wollen Vater
Staat zeigen, wer der tollere Hirsch ist.” Gefährlich ist es, wenn
man sich als Ausländer in die Schwarzgeld-Spirale begibt. Hans von
Rotenhan, Anwalt und Abogado in Palma, beklagt die „Notwendigkeit,
bei vielen Immobilienkäufen mit Schwarzgeld zu bezahlen, weil es
die Verkäufer so wollen”. Wenn der Käufer Schwarzgeld hat, ist das
für den kein Problem – es ist und bleibt illegal. Wenn nicht, macht
der Kunde sein weißes Geld schwarz, indem er Grunderwerbssteuer
hinterzieht. Schlimmer noch ist die Tatsache, dass die im Grundbuch
eingetragene Kaufsumme niedriger als der tatsächliche Preis ist.
Sollte das Eigentum jemals verkauft werden, muss man zwangsweise
wieder Schwarzgeld kassieren. Denn in Spanien gibt es keine
Spekulationsfrist, nach der für die erzielten Gewinne durch
Immobilienhandel keine Steuern mehr bezahlt werden müssen. Es muss
also ein Teil des Geschäftes in Schwarzgeld abgewickelt werden.
Worauf sich wieder die Frage stellt: Wohin damit? Der Beginn eines
Teufelskreises.
Rotenhan: „Insbesondere über diese Konsequenz sind sich viele
ausländische Hauskäufer auf Mallorca nicht im Klaren.”
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