,,Als wir Ben Amics 1992 gegründet haben, war das Thema
Homosexualität auf Mallorca noch ein absolutes Tabu", sagt Toni
Esteva, der Vizepräsident der Schwulen- und Lesbenorganisation in
Palma. Mittlerweile habe der Verein erreicht, dass die
Inselbewohner die Präferenz für das eigene Geschlecht als
Normalität akzeptieren. Und von der neuen Gesetzesvorlage, die das
Sozialministerium am Mittwoch präsentiert hat, erhoffen sich die
Gays in naher Zukunft auch eine rechtliche Gleichstellung mit
heterosexuellen Paaren.
Ein fast schon historisches Datum war für die
Homosexuellen-Paare auf der Insel der 14. August 1999. Damals gaben
sich zwei Spanier nach einer 14-jährigen Liebesbeziehung vor
Calviàs Bürgermeisterin das Ja-Wort. Eine Hochzeit ganz in Weiss -
allerdings ohne rechtliche Konsequenz.
,,Das neue Gesetz wird einen drastischen Wechsel bewirken", sagt
Toni Esteva. Im Prinzip wird es auf eine annähernde Gleichstellung
mit der herkömmlichen Familie hinauslaufen, wobei vor allem die
Adoption in der Genehmigungsphase noch strittiges Thema sein wird.
Die einschneidensten Änderungen werden im Bereich der Steuer- und
der Nachlassregelung erwartet. ,,Es gab auch auf Mallorca Fälle,
bei denen einer der Partner eine langjährige Beziehung plötzlich
verstarb und der andere von der Familie von einem Tag auf den
anderen aus dem Haus geworfen wurde." Auch bei Unfällen oder
schweren Krankheiten sei es vorgekommen, dass homosexuellen
Partnern der Zugang zum Kranken und die Mitsprache bei Operationen
verweigert wurde.
,,Das neue Gesetz spiegelt den Geisteswandel der
mallorquinischen Gesellschaft wider", so der Ben Amics-Sprecher. Es
gebe längst nicht mehr so viele soziale Probleme wie früher.
Beispiele von Schwulen, die in der Öffentlichkeit stehen und sich
geoutet haben, hätten zu einer Liberalisierung beigetragen. Für
Aufsehen gesorgt hatte vergangenes Jahr zum Beispiel landesweit das
Coming out des Militärs José Maria Sánchez Silva. Und auch die Wahl
des schwulen Pariser Bürgermeisters am Sonntag wertet Toni Esteva
als deutliches Zeichen für eine generelle Normalisierung des Themas
in Europa.
Heute gehören die Balearen - auch dank des Einflusses des
Tourismus und fremder Kulturen - zu den fortschrittlicheren
Regionen Spaniens. Vor allem die jungen Homosexuellen profitieren
von den neuen Zeichen der Zeit. Viele der Älteren haben sich aus
Angst vor Repressionen nie zu ihrer Neigung bekannt. ,,Viele leben
heute noch ein Doppelleben. Sie sind verheiratet, haben Familie und
haben heimlich homosexuelle Beziehungen."
Das erkläre auch, warum das Thema Homosexualität in den Augen
der Gesellschaft stark auf das Thema Sex reduziert ist. Und warum
Einrichtungen wie die ,,Darkrooms" in den Gay-Bars, in denen
Schwule ihre Sexualität wortwörtlich im Dunkeln ausleben, benötigt
worden seien - und offenbar immer noch benötigt werden. ,,Wenn wir
uns ohne Druck von aussen ausleben können, brauchen wir solche
Plätze künftig vielleicht nicht mehr", sagt Toni Esteva.
Das Lokal von Ben Amics in Palma (Calle Imprenta, 1) ist
Treffpunkt und Anlaufstelle für rund 150 Mitglieder. Hier werden
politische Aktionen und Freizeitaktivitäten organisiert. Ausserdem
vermittelt der Verein Hilfesuchende an Psychologen, Rechtsanwälte
und Sexologen. Ben Amics kooperiert auch mit dem Verein im Kampf
gegen Aids (Alas, Cecilio Metelo, 11 in Palma). ,,Aids ist nach wie
vor ein sehr wichtiges Problem."
Seit 1983 sind nach einer Statistik des balearischen
Gesundheitsministeriums 1648 Menschen an Aids erkrankt, wobei 22'5
Prozent Homosexuelle waren. 924 Menschen sind an der Krankheit
gestorben. Seit 1996 verzeichnet die Behörde alljährlich einen
Rückgang an Neuerkrankungen. Nach Ansicht von Ben Amics sind diese
Zahlen allerdings geschönt. Auch durch die medizinischen Erfolge im
Kampf gegen Aids habe sich unter den Homosexuellen eine gewisse
Gleichgültigkeit verbreitet: Ungeschützter Sexualverkehr sei wieder
gang und gäbe in der Szene.
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