Noch wenige Tage zuvor hatten Bauern und Politiker der Balearen
die Verbraucher noch beruhigt: Mallorca und die Nachbarinseln seien
BSE-frei, tiermehlhaltiges Futter sei nur in sehr geringen Mengen
verfüttert worden. Doch dann kam Ende vergangener Woche die
Hiobsbotschaft: Der Test an einer Milchkuh aus einem
menorquinischen Stall, die am 22. Januar getötet worden war,
nachdem sie sich ein Bein gebrochen hatte, fiel positiv aus. Noch
ist dieser BSE-Fall nicht offiziell: Die Behördern auf Mallorca
warten auf die Bestätigung durch einen zweiten Test, dessen
Ergebnis in der kommenden Woche erwartet wird. Die Zahl der ,,vacas
locas” in Spanien hat sich mittlerweile auf 17 erhöht.
Die Kuh, die vergangene Woche bei einem ersten Schnelltest
durchgefallen war, wurde vor neun Jahren im Betrieb ,,Hort de
Llucatx” in es Mercadal auf Menorca geboren. Zusammen mit 160
weiteren Tieren wurde sie später an den Betrieb ,,Santa Eulàlia”
weiterverkauft. Ihre Mutter wurde 1985 zusammen mit weiteren 14
Tieren aus Deutschland importiert. Das BSE-verdächtige Tier hatte
nach den Ermittlungen der Behörden sechs Kälber, das letzte wurde
im Januar geboren. Ein paar der Kälber wurden mittlerweile sicher
gestellt, der Rest war bereits geschlachtet worden und in der
Nahrungskette gelandet. Der Konsum dieses Fleisches soll
unbedenklich sein: Die Tiere sind im Alter von zwölf Monaten, also
vor einem möglichen Ausbruch der Krankheit, getötet worden. Auch
von der Milchkuh selbst sei für den Menschen kein Risiko der
Ansteckung ausgegangen: Nach heutigem Stand der Wissenschaft gibt
es keinen Hinweis für eine mögliche Infizierung durch Milch und
Milchprodukte.
Der Besitzer gab an, dass er die fragliche Kuh mit
tiermehlhaltigem Kraftfutter gemästet habe, was bis 1994 legal war.
Mateu Morro, der Landwirtschaftsminister der Balearen, hat
angekündigt, dass die 66 Tiere, die sich derzeit auf dem Hof
,,Santa Eulàlia” befinden, geschlachtet werden müssen, wenn auch
der zweite BSE-Test positiv ausfallen sollte.
Er setzt auf Aufklärung, um das Vertrauen der Verbraucher in das
,,Producte balear” zurückzugewinnen. Bis Donnerstag wurden auf den
Balearen 67 BSE-Tests durchgeführt. Ende kommender Woche soll
Mallorca nach seinen Worten über die nötige Technik und das
Personal verfügen, um die BSE-Schnelltests auf der Insel
analysieren zu können. Bislang müssen die Proben nach Madrid
geschickt werden. Der zweite Test wird aber auch künftig in einem
Labor in Zaragoza untersucht werden.
Außerdem hat Morro einen Plan zur Überwachung und Kontrolle des
gesamten Bestands an Rindern und Schafen angekündigt. Ziel sei eine
tierärztliche Untersuchung des gesamten Viehbestands auf den
Balearen, wozu acht neue Mitarbeiter eingestellt werden sollen.
Die Abteilung Naturschutz (Seprona) der Guardia Civil hat
unterdessen landesweit mit der Inspektion von Zuchtbetrieben,
Schlachtereien, Lagerhallen und Fabriken begonnen und 500 Tonnen
Futtermittel sicher gestellt. In diesem Zusammenhang wurden sieben
Menschen verhaftet und 14 Strafanzeigen gestellt. Hauptgründe waren
fehlende oder gefälschte Herkunfts- oder Impfbescheinigungen und
der Handel mit illegalen Futtermitteln. Auf den Balearen wurden vom
19. Dezember 2000 bis zum 31. Januar 75 Kontrollen durchgeführt.
Dabei wurden 4360 Kilogramm Tierfutter mit tierischen Anteilen
beschlagnahmt.
Am Sonntag rückten die Gesundheitspolizisten nach Son Servera
aus, wo Spaziergänger in einer Kalkgrube die Kadaver von mehreren
Kühen entdeckt hatten. Zwei der Tiere waren erst wenige Tage zuvor
gestorben, die restlichen Tierleichen waren bereits weitgehend
verwest. Erste Untersuchungen zur Todesursache brachten keine
Hinweise auf eine mögliche BSE-Erkrankung. Tests sollen endgültige
Klarheit schaffen. Landwirtschaftsminister Mateu Morro schloss am
Mittwoch aus, dass die illegale Beseitigung der Kadaver bewusst
erfolgt ist, um Kontrollen zu umgehen. Denn die Tiere trugen noch
die Identifikationsnummern im Ohr. ,,Die Beerdigung der Tiere hat
seit Jahrhunderten Tradition”, so Morro. Der mallorquinische
Viehzüchter wird mit einem Strafbefehl rechnen müssen.
Die Behörden der Inseln wollen nun eine Informationskampagne
unter den Viehzüchtern starten: Sie müssen die amtlichen Stellen
benachrichtigen, wenn ein Tier stirbt. Beerdigt werden dürfen die
Kadaver nur unter tierärztlicher Aufsicht.
Bislang gibt es auf den Inseln noch keine Infrastruktur zur
Beseitigung der Rinderleichen und des Risikomaterials, das in den
Schlachthöfen anfällt. Seit Anfang Januar haben sich auf den Inseln
14 Tonnen dieser gefährlichen Abfälle angesammelt. Sie wurden am
Dienstag in einem Container nach Barcelona verschifft, wo sie in
speziellen Öfen verbrannt werden. Die Asche wird auf die Balearen
zurücktransportiert, wo sie bis zum Bau eines geplanten
Tierverbrennungsofens in Son Reus zwischengelagert werden. Der
Verbrennungsofen soll in etwa einem halben Jahr in Betrieb
gehen.
Zum Riskomaterial wird künftig auch die Wirbelsäule von Rindern,
die älter als 12 Monate sind, gehören. Diese Maßnahme im Kampf
gegen die Rinderseuche hat die EU-Kommission am Mittwoch
vorgeschlagen. Von 1. April an soll der Verkauf von T-Bone-Steaks
in Spanien, Deutschland und acht weiteren EU-Staaten verboten
werden. Denn im Rückenmark und im Gehirn konzentrieren sich bei
BSE-infizierten Tieren die Krankheitserreger. Das Verbot gilt für
die EU-Staaten mit Ausnahme von Österreich, Schweden, Finnland,
Großbritannien und Portugal, wo es bislang keine BSE-Fälle gegeben
hat oder die Sicherheitsmaßnahmen bei der Fleischherstellung weiter
reichen als in den anderen Ländern.
Seitdem auf den Balearen der erste mutmaßliche BSE-Fall
aufgetaucht ist, hat sich Lage für die Viehzüchter weiter
verschlimmert. ,,Für uns ist das der absolute Ruin. Die Leute
kaufen kein Rindfleisch mehr”, sagt zum Beispiel Züchter Rafel
Barceló. ,,Wenn wir keinen Ausweg aus der Krise finden, sind wir
bis November weg vom Fenster.”
Einige Bauern suchen diesen Ausweg in der Umstellung ihrer
Betriebe auf Bio-Landwirtschaft. Bei der dafür zuständigen
Abteilung im Landwirtschaftministerium laufen seit Wochen die
Telefone heiß. Laut Aina Calafat durchlaufen derzeit acht Rinder–
und zehn Schafzuchtbetriebe die Umstellungsphase. 20 weitere
Betriebe wollen die nötigen Anträge stellen. Auch Verbraucher rufen
an, wollen wissen, wo sie Bio-Fleisch kaufen können. Bio-Fleisch
aus balearischen Höfen wird es allerdings frühestens Ende des
Jahres im Handel geben. Einige Bio-Läden importieren für ihre
Kunden auf Bestellung Fleisch vom Festland. Bislang, so Aina
Calafat, habe es wenig Nachfrage nach Bio-Fleisch gegeben. Vor
allem, weil der typische Käufer von ökologischen Produkten sowieso
eher wenig Fleisch isst. ,,Auf einmal gibt es eine große
Nachfrage.”
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