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Mallorca Magazin: Vor einigen Tagen hat Greenpeace den Protest fast ganz Mallorcas gegen einen amerikanischen Nuklear-Flugzeugträger provoziert. War das in Wendepunkt im Umweltbewußtsein?

Xavier Pastor: Es war ein günstiger Moment. Die Debatte um das britische Atom-U-Boot in Gibraltar hatte die Leute vorbereitet. Und Balearenregierung, Presse und Gesellschaft haben sich bewegt.

MM: Wenn man über Umwelt-Organisationen auf Mallorca spricht, denkt alle Welt an GOB.

Pastor: GOB ist die beste regionale Umweltorganisation Spaniens. Wir ergänzen uns.

MM: Es hieß, Greenpeace España werde seinen Hauptsitz von Madrid nach Mallorca verlegen.

Pastor: Das war nie geplant. Aber wir werden in Calvià ein ökologisches Modell-Haus mit Sonnenenergie, natürlichen Materialien und Wassersparsystemen für die maritime Sparte von Greenpeace España errichten. Wegen des Baubooms fanden wir lange keine Firma. Aber inzwischen gibt es eine, die das für zukunftsträchtig hält.

MM: Wieviele Besucher kann Mallorcas Umwelt verkraften?

Pastor: Das hat bisher niemand wirklich kalkuliert. Zur Zeit kommen elf bis zwölf Millionen Menschen, nicht nur Touristen, sondern auch Residenten und Arbeits-Immigranten. Ich glaube, es ginge uns allen besser mit 30 Prozent weniger Menschen. Wenn die Kosten ein bisschen steigen und man im Gegenzug mehr Qualität bekommt und wir nicht dem Hooligen-Tourismus der Reiseveranstalter ausgesetzt wären, könnte man die gleichen Einnahmen erzielen mit weniger Schäden: Das käme auch den Gästen zugute. Sie fänden weniger überfüllte Strände, weniger Staus auf den Straßen.

MM: Dann vertreten sie aber das Modell, das die Balearenregierung schon seit Jahren verfolgt.

Pastor: Sie reden davon, aber am Ende verkaufen sie massiv Billigtourismus. Sie mixen: Qualitätstourismus mit Golf und Marinas, Billigtourismus, Radfahrer, Kongress, alles. Sie suchen nach allen Marktsegmenten, um sie auch noch zu besetzen. Aber warum müssen die Leute für so wenig Geld nach Mallorca reisen können? Lasst uns einen Preis festlegen. Der darf nicht zu hoch sein, denn hier kann man keinen Elite-Tourismus mehr machen.

MM: Aber unterstützt die Forderung nach weniger Gästen nicht die Fremdenfeindlichkeit?

Pastor: Uns ist egal, wer das Territorium besitzt. Es wäre schön, wenn die mallorquinischen Millionäre ihre Grundstücke so pfleglich behandeln würden wie viele Deutsche. Es gibt ein anderes heikles Thema: Das Absperren von Gelände. Für die Natur wäre es viel besser, ein Territorium zu schließen. Natürlich wäre es schön, das Gelände offen zu halten – wenn die Leute sich zivilisiert benehmen.

MM: Als die Koalition aus Linksparteien, Grünen und Nationalisten auf den Balearen an die Regierung kam, haben viele gedacht, die Umweltpolitik würde sich verbessern.

Pastor: Es hat sich nicht soviel bewegt wie erwartet. Realpolitik ist eben schwierig. Wie bei der Ökosteuer für Touristen. Die Absicht ist gut, aber die Umsetzung ist eben kompliziert. Oder die Müllverbrennung. Natürlich wissen sie, das sie den Müllofen nicht sofort schließen können. Aber der Müll-Plan, der auf Müllvermeidung und Recycling setzt, ist gut.

MM: Und beim Wasser?

Pastor: Sie haben versucht, nicht sofort auf die Meerwasserentsalzung aufzuspringen. Aber der Druck der Medien und der Opposition ist groß, auch innerhalb der Koalition gibt es da unterschiedliche Meinungen. Die PP hat die Umwelt einfach brutal behandelt und die Probleme ignoriert. Jetzt sollten die Leute mit dieser schrecklichen Trägheit es erstmal andere machen lassen. Dann sehen wir, was möglich ist.

MM: Aber den Energieplan der Regierung haben Sie hart kritisiert.

Pastor: Der Plan ist fatal. Der ist von unseren Vorstellungen soweit entfernt wie unter der PP.

MM: Wie erklärt sich das?

Pastor: Ich will ja nicht in Parteipolitik einsteigen. Aber es ist schon ein Unterschied, ob ein grünes Ministerium einen Abfall-Plan macht, der von einem ehemaligen Greenpeace-Mann stammt. Oder ob die sozialistische Energieministerin mit einem Mann vom Stromversorger Gesa einen Energieplan macht.

MM: Was ist falsch daran?

Pastor: Die Grundidee, die Versorgung auf Erdgas umzustellen, ist gut. Gas ist besser als Kohle. Aber man sieht, dass sie nicht an die Möglichkeiten glauben, die Energiesparen und regenerative Energiequellen wie Wind, Erdwärme oder Sonne bieten. Sie reden nur davon. Aber letztlich halten sie das für Dummheiten der Umweltschützer. Am Ende bauen sie vor allem neue Kraftwerke.

MM: Wie ist die Arbeit des Chefs der balearischen PP, Jaume Matas, als spanischer Umweltminister einzuschätzen?

Pastor: Matas sollte die politische Bedeutung der Umwelt verstanden haben, denn auf den Balearen hat sie ihn die Regierung gekostet. Die politischen Probleme der Balearen sind umweltpolitische Probleme. Matas hat einen Vorteil: Er ist dialogorientiert.

MM: Aber sein wichtigstes Projekt, den Wasserplan für Spanien, haben Umweltschützer scharf kritisiert.

Pastor: Anstatt von Anfang an auf die umstrittene Umleitung des Ebro aus Aragonien ans Mittelmeer und den Bau von neuen Stauseen zu setzen, hätte er den Ausbau der Kläranlagen, Säuberung der Flüsse, Aufforstung der Flussufer oder Verbesserung der Bewässerungsmethoden stärker betonen sollen. Und später, wenn es notwendig sein sollte, weil das alles nicht genug bringt, hätte er auf die Umleitung des Ebro zurückgreifen können.

MM: Welche Rolle spielte Matas beim Klima-Gipfel, wo sich die Staaten nicht auf eine Minderung der Kohlendioxid-Emissionen geeinigt haben?

Pastor: Spanien präsentiert sich gerne als aufstrebende Wirtschaftsmacht. Aber wenn es passt, dann sind wir wieder das arme Land, das sich entwickeln muss, dem man innerhalb der EU ein Wachstum der Kohlendioxid-Emissionen gestatten muss.

MM: Hängt das Umweltbewußtsein vom Wohlstand ab?

Pastor: Das ist leider so. Wer sonst kein Feuer machen kann, schneidet eben den letzten Baum ab, das täte ich auch. Aber wenn es den Leuten besser geht, sie mehr lesen, sich mehr informieren, denken sie mehr an die Umwelt.

MM: Sind wir auf Mallorca an diesem Punkt?

Pastor: Hier findet man Politiker, Hoteliers und Journalisten, die vor zehn Jahren über Umweltschützer gelacht haben. Heute sagen sie das gleiche wie wir vor 15 Jahren. Nicht, weil sie Umweltschützer geworden sind. Aber sie sehen, dass eine saubere Umwelt fundamental ist, um ihr ökonomisches Niveau zu halten.

Mit Xavier Pastor sprach MM-Redakteur
Joachim Fahrun