Selbst der balearische Wirtschaftsminister muss nachdenken: Der
größte Industriebetrieb Mallorcas? Pere Sampol braucht eine Weile,
ehe ihm der Wasserhahn-Produzent Buades einfällt.
Aus rein ökonomischer Sicht ist des Ministers Zögern
verständlich. Schließlich beschäftigt jedes mittelgroße
Drei-Sterne-Hotel soviele Menschen (250) wie die Metallverarbeiter
aus Binissalem.
Aber dennoch ist die Reaktion des Politikers der
nationalistischen PSM typisch: Mallorcas Wirtschaft jenseits des
alles überlagernden Tourismus – und der identitätsstiftenden
Landwirtschaft – spielt in der öffentlichen Diskussion kaum eine
Rolle. Dabei nennt sogar der Präsident der Sparkasse Sa Nostra,
Miquel Capellà, die ,,exzessive Konzentration der Wirtschaft auf
den Tourismus” das ,,größte Problem der Balearen”, gefolgt vom
niedrigen Ausbildungsniveau der Werktätigen.
Diversifizierung ist das Gebot der Stunde – zumal in der
mallorquinischen Bevölkerung die Kritik an den Auswüchsen des
Massentourismus lauter wird.
Tatsächlich muss man, wenn man über Mallorcas Ökonomie jenseits der
Hotels, Restaurants, Touristenläden und Busunternehmen spricht,
unterscheiden: Zum einen wird versucht, um den klassischen
Hotellerie- und Reisesektor eine leistungsfähige Service-Wirtschaft
aufzubauen. Wie weit dieses Feld reicht, macht die Fachmesse
Tecnoturística deutlich.
,,Solange Ketten wie Sol Meliá, Iberostar oder Riu ihren
Hauptsitz auf der Insel haben, sind wir vielen Konkurrenten
gegenüber im Vorteil”, sagt Antoni Pons, Präsident des
Jungunternehmerverbandes Joves empresaris.
Andererseits versuchen die Wirtschaftspolitiker, die anderen
Wirtschaftszweige auf den Inseln zu fördern. Mit dem Herkunftslabel
,,Producte Balear” wird seit einigen Monaten das Marketing von
menorquinischem Käse, Keksen aus Inca oder Möbeln aus Manacor
unterstützt.
Neben dieser eher defensiven Strategie, um die Reste der
traditionellen Industrie zu modernisieren, ist die Innovation, das
Ansiedeln neuer Branchen und High-Tech-Unternehmen, in aller Munde.
Die Balearenregierung leistet sich zu diesem Zweck sogar ein
eigenes ,,Innovationsressort”.
Aber der Weg zur ,,New Economy” ist noch weit, trotz allen
Wachstums, das die Branche der Informationstechnik auch auf
Mallorca erlebt. ,,Die Infrastruktur ist immer noch sehr schlecht”,
sagt Josep Aguiló, Spezialist für Informationstechnik an der
Universität der Balearen, ,,wir sind erst am Anfang des Anfangs”.
So mancher ausländische Computer- oder Internet-Entrepreneur, der
des schönen Wetters wegen sein Business auf der Insel installieren
wollte, denkt angesichts langer Wartezeiten auf der Datenautobahn
schon wieder über einen Abzug nach.
Das als Vorzeige-Projekt geplante High-Tech-Gewerbegelände Parc
Bit nördlich von Palma kommt nur schleppend in die Gänge.
Die Begrenzung einer perfekten Infrastruktur vom Breitband-Kabel
bis zur Satellitenanlage auf einen einzigen Ort Mallorcas halten
Kritiker ohnehin für falsch. ,,Ganz Mallorca müsste ein Parc Bit
sein”, fordert Jungunternehmer-Präsident Toni Pons. Er ist Inhaber
der Werbeagentur Di7, die unter anderem für die Balearenregierung
den Slogan ,,Quatre illes, un país, cap frontera (Vier Inseln, ein
Land, keine Grenzen) entwickelt hat.
Dass auch Privatinitiative ein Netzwerk von Technik- und
Multimedia-Firmen schaffen kann, beweist der Unternehmer Luis
Sánchez-Merlo aus Salamanca: Der Mallorca-Fan hat über seine Firma
Lantan Capital S.A. in Binissalem in einer alten Schuhfabrik ein
komplett verkabeltes High-Tech-Gewerbezentrum installiert.
Solche Initiativen könnten helfen, ein Innovationshindernis
abzubauen, das Jungunternehmer Toni Pons im mallorquinischen
Charakter begründet sieht: Der schweigsamen Zurückhaltung, zwischen
Bescheidenheit und der Angst, jemand könnte Ideen abkupfern. ,,Wir
haben Existenzgründer und mögliche Geldgeber zusammengebracht”,
berichtet der Präsident von 350 Mitgliedern. In den USA
funktioniert das sehr gut. Nicht auf Mallorca: Niemand wollte seine
Idee verraten. An derselben Zurückhaltung scheiterte auch die
Initiative, bei der sich Unternehmer gegenseitig helfen sollten,
ihre internen Prozesse zu optimieren.
Lange sei es auf der insel üblich gewesen, bloß nicht zuviel
über das eigene Unternehmen zu sprechen, um sich vor Neidern und
eventuellen Nachahmern zu schützen. Erst allmählich entwickele sich
eine Kommunikationskultur. Der aufstrebenden Werbe-und
Grafikbranche kommt dieser Trend zugute.
Noch ein traditionelles Innovationshemmnis hat Pons ausgemacht:
Mallorquiner stellen häufig nicht die fähigsten Bewerber ein,
sondern Freunde und Angehörige, auch wenn die für einen Job
schlechter qualifiziert sind.
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