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Wie eine gigantische Nebelschwade bleiben die Wolken an der schroffen Steilwand hängen. Der Puig Major, Mallorcas höchster Berg, wird vollständig eingehüllt, der Gipfel ist in der wallenden Masse nicht auszumachen. Dazu weht eisiger Wind, das Thermometer zeigt ein Grad an.

"Tja, das ist nicht nur das höchstgelegene Landgut der Insel, sondern auch das kälteste", lacht Carlos Zayas. Der Verwalter der Finca Son Torrella - das Land gehört seiner Schwester Inmaculada - fährt häufig aus Sóller hinauf, um nach dem Rechten zu sehen. Mit 440 Hektar Bergwelt ist das Anwesen eines der größten auf Mallorca.

Bis 1958 gehörte zu dem lang gestreckten Hochtal auch der Puig Major. Dann wurde der Gipfel vom Militär enteignet. Die US-Armee kappte die Bergspitze, um auf der neu geschaffenen Plattform eine Radaranlage zu errichten. Die Amis bauten auch die Zickzack-Zufahrtstraße zum Gipfel.

Zayas' Vater versuchte vergeblich, die Enteignung zu verhindern. Für den Naturfreund war der Eingriff ein Attentat auf die Bergwelt der Insel.

Sein Sohn wiederum entwickelte sich zu einem der ersten Umweltaktivisten in Spanien. Seit Jahren steht Carlos Zayas, Jahrgang 1933, der Naturschutzorganisation "Amics de la Terra" auf den Balearen vor. "Ich bin das rote und grüne Schaf der Familie", sagte Zayas über sich selbst.

Der Hintergrund: Der Spross einer erzkonservativen Militärfamilie saß in der Franco-Zeit als Sozialdemokrat zwei Jahre im Gefängnis, wurde später zu einem der Gründungsväter der spanischen Verfassung und Wegbereiter der Demokratie. Der PSOE kehrte Zayas jedoch 1986 den Rücken, auch weil sie seiner Ansicht nach die Umweltprobleme in Spanien nicht anpackte.

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Dafür wurde Zayas selbst aktiv: Als der alte Verwalter auf Son Torrella 1994 in den Ruhestand ging, war Schluss mit Getreideanbau und Tierzucht. Der Jurist Zayas hing seinen Job in Madrid an den Nagel, um den Familienacker in Wald zu verwandeln. Damals war viel von Aufforstung im Mittelmeerraum die Rede, als Kampf gegen Waldbrände, Bodenerosion und Verkarstung. Von der Europäischen Union gab es Hilfen, wenn heimische Pflanzenarten zum Einsatz kamen.

Mit Gleichgesinnten legte sich Zayas ins Zeug, die Setzlinge stammten aus Baumschulen in Katalonien und Menut. Doch bald schon zeigte sich, dass die Wildziegen die jungen Pflänzchen wie Pralinen verspeisten.

Also ließ Zayas einen 1,5 Meter hohen Drahtzaun ziehen; ein Kraftakt in dem steinigen, schwer zugänglichen Gelände. Der Zaun wuchs Kilometer um Kilometer, bis nach drei Phasen 69,5 Hektar abgeschlossen waren. Wer heute, knapp 20 Jahre später, am Zaun längs läuft, sieht inwärts eine grüne Waldung, auswärts kahl gefressenes Bergland. Zayas lässt die Ziegen bejagen. "Das ist die einzige Einnahme, die die Finca erzielt."

Für ihn hat die wohl größte private Aufforstung auf der Insel klar ergeben: Ohne Einzäunung haben Setzlinge keine Chance, groß zu werden. Notwendig sind anfangs auch Drahtzylinder gegen Kaninchen und andere Nager. Ohne Bewässerung kommen die Bäumchen zudem nicht über die ersten zwei, drei Sommer. Und obgleich Zayas und die Helfer mühsam Wasser heranschleppten, ging mehr als die Hälfte der Jungpflanzen ein.

Dennoch: Heute wachsen in dem Talboden 60.000 Bäume, meist Kiefern, Wildoliven und Eichen. So mancher Baum misst an die fünf Meter.

Für den ökologischen Waldfreund hat sich der Aufwand gelohnt. Das einst schattenlose Tal ist reich an Biodiversität. Aber Zayas räumt auch ein: "Die Arbeit war viel schwieriger als gedacht."