Das Baiben in Puerto Portals gehört zu den Neueröffnungen des Jahres 2016. | Patricia Lozano

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Marimar García reist meilenweit, um gut zu essen. Restaurants sind ihr Hobby und für bekannte Namen oder lang erwartete Neueröffnungen fährt sie kreuz und quer durch Europa. "Dafür gebe ich genauso viel Geld aus wie andere Menschen für teure Autos oder kostspielige Sportarten", sagt die frühere Telefónica-Mitarbeiterin aus Palma. Im vergangenen Jahr ging die 51-Jährige in den Vorruhestand und hat jetzt noch mehr Zeit für ihre Leidenschaft.

Gastro-Reisen liegen schwer im Trend und auch Mallorca ist mittlerweile durch zahlreiche Sternerestaurants, junge und innovative mallorquinische Köche sowie unzählige Länderküchen ein Fixpunkt auf den Restaurant-Routen der Feinschmecker geworden.

Das war nicht immer so. Noch vor 15 Jahren war die Ferieninsel eher für deftige, einheimische Küche bekannt als für innovative Gastro-Trends. Große Namen wie Mallorcas erster Sternekoch Gerard Tetard, dessen Restaurant "Ses Rotges" in Cala Rajada schon 1977 von Michelin ausgezeichnet wurde, oder die avantgardistische Küche des Katalanen Josep Maria Fló, der ab 1976 in Cas Concos sein "Violet" betrieb, verhallten wieder.

"Wir hatten dann zwar mit Gerhard Schwaiger ab Mitte der 80er, mit Josef Sauerschell und Tomeu Caldentey ab 2000 drei einflussreiche Sterneköche auf der Insel, aber der Norden Spaniens mit seiner berühmten baskischen Küche war damals für Feinschmecker immer noch viel interessanter als die Balearen", erinnert sich Marimar, die aus der Nähe von Burgos stammt. Den Ruhm der Basken bewies auf Mallorca auch der aus San Sebastián stammende Koldo Royo, der erst im Restaurant Porto Pí einen Stern erkochte und 1989 sein eigenes Michelin-Restaurant am Paseo Marítimo eröffnete.

Doch abgesehen von wenigen Ausnahmen dümpelte die mallorquinische Restaurant-Szene erstmal jahrelang vor sich hin. Bis zwei Phänomene zusammenkamen, die Leben und Aufmerksamkeit in den Sektor brachten. "Plötzlich kamen neue ausländische Köche auf die Insel, die sowohl durch ihre Küche als auch durch ihr Konzept für Aufmerksamkeit sorgten", erzählt Andoni Sarriegi. Der erfahrene mallorquinische Gastro-Journalist arbeitet unter anderem für die Verlagsgesellschaft "Grupo Gourmets", betreibt mit Ajonegro seinen eigenen Gastroblog und ist Berater großer Gastro-Messen wie der "Madrid Fusión", "Gastronomía Valencia" und "Gastro Alicante". Dass sich Mallorcas Gastronomie-Landschaft heute auch auf nationaler Ebene einen wichtigen Stellenwert erobert hat, daran habe vor allem der britische Sternekoch Marc Fosh großen Anteil. "Marc war der Erste, der mit seinem damaligen ,Fosh Food' (später La Tasca) ein neues Restaurant-Konzept eingeführt hat", erinnert sich Sarriegi. Foshs Mischung aus Restaurant, offener Show-Küche und Laden habe eine Entwicklung ausgelöst, die heute in Angeboten wie Gastro-Bars, Vinotheken, Restaurants mit Kochkursen und Showcooking oder Lokalen mit Restaurant- und Verkaufsbereichen münde. "Die mallorquinische Restaurant-Landschaft bietet heute all dies, ebenso wie Gastro-Märkte, Foodtrucks oder Pop-Up-Restaurants. Feinschmecker lieben diese Diversität, die es früher auf Mallorca nicht gab", sagt Sarriegi.

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Und ein zweiter wichtiger Faktor habe Mallorcas Restaurant-Szene in den vergangenen Jahren entscheidend verändert. "Wir haben hier junge mallorquinische Köche, die die Inselküche heute entscheidend prägen, und inzwischen auch national und international auf sich aufmerksam machen. Dazu gehören Santi Taura, Andreu Genestra, Marga Coll, Macarena de Castro, Tomeu Lassio, Cati Pieras, Joan Marc oder Maria Solivellas, um nur einige zu nennen." Ihrer modernen Interpretation der Inselküche, gepaart mit der Verwendung einheimischer Produkte, sei es vor allem zu verdanken, dass Mallorca kulinarisch von sich reden mache. "Hinzu kommt natürlich die steigende Zahl der Sternerestaurants, ebenso wie die Entwicklung von hippen Gastro-Vierteln wie Santa Catalina in Palma, in dem für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas geboten wird." Auch die Initiative "Palma Beach", die es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, in touristischen Zonen wie der Playa de Palma mehr gastronomische Qualität zu bieten, unterstreicht diesen Trend.

Sehr bedenklich findet Sarriegi die Tatsache, dass Mallorcas Politiker sich dieses Feld nicht besser zunutze machen. "Wir haben hier ein fantastisches Angebot auf der Insel, das bei guter Vermarktung viel mehr Gastro-Reisende anlocken könnte, als es heute der Fall ist." Mallorca als Feinschmecker-Insel haben die Tourismus-Verantwortlichen hier leider noch nicht auf dem Plan. Ein regelrechtes Armutszeugnis der Inseltouristiker sei es außerdem, dass immer noch viele Hotels und Restaurants Ende Oktober schließen. "Da liegt wahrlich großes Potenzial einfach brach", bedauert Sarriegi kopfschüttelnd.

Ansonsten ist Mallorca perfekt aufgestellt für die Trends im kommenden Jahr. Laut Dirk Rottmüller, Geschäftsführer der "Gastro Consulting" in Ludwigshafen, gehört dazu das Phänomen "Migrations-Food". "Durch Migration entsteht eine immer größere Nachfrage nach kulturspezifischen Angeboten. Speisen aus Persien, Afghanistan, afrikanischen oder asiatischen Ländern beeinflussen das gastronomische Angebot von morgen", schreibt Rottmüller in seinem kürzlich erschienen Artikel "Gastro-Trends für 2017". Die Gäste seien außerdem sensibler geworden, was ihre Nahrungsaufnahme betreffe. Gesundheitliche Aspekte und Nachhaltigkeit der Produkte würden weiter an Bedeutung gewinnen, ebenso wie multilinguale Speisekarten und mehrsprachige Mitarbeiter, die internationalem Publikum gerecht werden. Und nicht zuletzt die fortschreitende Digitalisierung bei der Restaurantsuche, den Reservierungs-, Bestell- oder Bezahlsystemen sei weiter auf dem Vormarsch.

Besonders die jungen Köche und Neueröffnungen Mallorcas würden laut Sarriegi genau diesen Forderungen gerecht, ebenso wie die - besonders in Palma - steigende Zahl der Küchen aller Kontinente. Auf die Frage nach Sarriegis persönlichem Trend-Tipp für 2017 kommt die Antwort ohne nachzudenken: "Mallorcas Restaurant-Landschaft wird weiter massiv an Bedeutung gewinnen und Santi Taura bekommt endlich seinen ersten Stern."

(aus MM 53/2016)