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Glasgrundeln sind nicht jedermanns Sache: Wer die durchsichtigen Mini-Fische noch nie gesehen hat, ist beim Marktbesuch auf Mallorca vielleicht etwas irritiert und verwechselt sie mit Larven von Sardellen oder Sardinen.

Doch während die etwa vier Zentimeter langen und nur wenige Millimeter breiten Fische der Gattung Aphia Minuta in der Nordsee links liegen bleiben, gelten sie in den Mittelmeerländern als begehrte Delikatesse. Von den Römern als "Meerschaum" bezeichnet, sind sie an der spanischen Festlandsküste als "Chanquete" und auf den Balearen als "Jonquillo" bekannt und haben von Dezember bis in den April hinein Saison. Vor der Küste Andalusiens ist der Bestand allerdings derart gefährdet, dass der Fang seit 1988 verboten ist.

Auf Mallorca verknappt sich der Jonquillo dagegen vor allem dann, wenn das Wetter wie in den vergangenen Wochen Kapriolen schlägt, und hohe Wellen das Auslaufen der Fischerboote verhindern. "In der letzten Februarwoche lagen die Kilopreise zwischen 54 und 59 Euro", sagt Mari-Angeles González vom Olivar-Markt in Palma, "wenn das Wetter besser ist, gibt es Jonquillo etwa ab 30 Euro aufwärts." In der Spitze wurden dieses Jahr aber auch schon 78 Euro abgerufen. Was definitiv auch mit dem ungewöhnlich harten Winter zu tun hat: "Wir haben bisher drei Tonnen weniger eingebracht als in der letzten Saison zum gleichen Zeitpunkt", so Antoni Garau vom Berufsfischerverband Opmallorcamar. Da die Fangmenge zudem auf 30 Kilo pro Fahrt begrenzt ist, und insgesamt nur etwa 50 Boote eine entsprechende Lizenz haben, macht sich die Glasgrundel in letzter Zeit etwas rar auf den Tellern.

Angemischt wird die Auslage an den Marktständen deswegen verstärkt mit Kristallgrundeln, die man auf Katalanisch als "Cabotí" bezeichnet. Diese Fische der Gattung Crystallogobius linearis haben zwar ein paar dunkle Punkte auf der Haut und den Flossen, ähneln dem Jonquillo sonst aber sehr. "Wegen der Gräten ist ihre Konsistenz viel sandiger", warnt Mari-Angeles González, die wegen des faden Aromas im Übrigen auch vom asiatischen Jonquillo der Gattung Salanx auticeps abrät.

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Die beste Art, die sanfte Textur und den intensiven Geschmack des echten mallorquinischen Jonquillo kennenzulernen, ist hingegen die Zubereitung einer flachen Krokette oder Tortilla, der sogenannten "Raola". Nach einem Rezept der bekannten Bloggerin Yolanda García kombiniert man zum Beispiel 300 Gramm Jonquillo und zwei frische Eier mit zwei Esslöffeln Mehl, Knoblauch, Salz und Pfeffer. Die Masse eine halbe Stunde im Kühlschrank ruhen lassen, mit reichlich Öl anbraten und auf Küchenpapier abtropfen lassen.

Küchenchefs wie Benet Viçens vom Restaurant Bens d'Avall bei Sóller schwören hingegen auf Kunstgriffe, um den Geschmack nach Meer stärker zur Geltung zu bringen. "Statt Mehl und Ei verwende ich eine spezielle Texturmischung auf Algenbasis", so Viçens. Interessant schmeckt Jonquillo seiner Ansicht nach auch roh in einen Brandteig eingewickelt und zehn bis zwölf Minuten auf mittlerer Hitze gegart. Das fertige Häppchen eigne sich aufgrund der hohen Einkaufspreise weniger als Hauptgericht, sondern eher als Vorspeise oder edle Tapa.

Unkompliziert und schnörkellos ist unterdessen die simple Zubereitung von Jonquillo mit Olivenöl in der Bratpfanne. Mit einem Stück Zitrone beträufelt, kann die Fischdelikatesse unverfälscht ihren Geschmack entfalten. Es muss ja nicht gleich ein ganzes Kilo sein - zumindest nicht, wenn es gerade so stürmt und regnet, dass nur noch die wagemutigsten Fischer aus dem Hafen auslaufen.

(aus MM 10/2015)