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In der Bibel ist sie die erste namentlich erwähnte Pflanze. Bekanntlich diente das Feigenblatt zur Verhüllung der Blöße von Adam und Eva nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies. Der Feigenbaum (Spanisch: higuera) gilt als die älteste vom Menschen kultivierte Pflanze. Neben der Dattelpalme, der Weintraube und der Olive zählt die Feige (Spanisch: higo) zu den wichtigsten Früchten antiker Kulturen und Zivilisationen im östlichen Mittelmeer. Die Phönizier und Araber haben zur Ausbreitung der Feige im Süden Europas beigetragen. Heute befindet sich hier zirka 80 Prozent der weltweiten Produktion.

Im Forschungszentrum Camp d'experimentació Son Mut Nou in der Nähe von Llucmajor gedeihen auf 18 Hektar etwa 1700 Feigenbäume. Um jeden einzelnen kümmert sich fürsorglich der 61-jährige Monserrat Pons. Der Mallorquiner, von Beruf Apotheker, machte vor etwa 20 Jahren die Liebe zu dieser Frucht nicht nur zu seinem Hobby, sondern auch zu seinem Forschungsgebiet. Alle Arten sind in einem mehrere Hundert Seiten dicken Buch katalogisiert.

Auf dem Feld sind die Feigenbäume in schier endlosen Reihen in die rote Erde gepflanzt. Monserrat nähert sich einem Baum, auf dessen Stamm das Schild "reina" prangt, was ins Deutsche übersetzt "die Königin" heißt. Geschickt reißt er eine dunkelviolette Frucht ab, teilt sie in zwei Hälften und quetscht sie so, dass das rötliche Fruchtfleisch mit vielen kleinen Kernen besser zu sehen ist. "Mmmm, reiner Honig", die Begeisterung des Mallorquiners ist nicht zu überhören.

Jeden Baum schmücken birnenförmige Früchte unterschiedlicher Farbe - von hellgrün bis tiefviolett. Insgesamt gibt es hier 834 Sorten aus 64 Ländern. Jede Feige hat ihren eigenen unverwechselbaren Geschmack - die eine ist sehr süß, mit starkem Aroma, andere saftig oder eher trocken. Auf der Finca wachsen Sorten wie Cosme Manyo, eine dunkelgrüne Frucht mit einer süß-sauren Note, oder die rötliche Tia Penya mit süßen Feigen, die Manresa mit glänzenden fast schwarzen Früchten, die grüne frühe Sorte Ull de perdiu und die Balafi mit großen und sehr süßen Feigen.

"Feigenbäume benötigen keine Bewässerung", erklärt der Apotheker. "Es ist eher umgekehrt, je trockener der Grund, desto süßer die Frucht." Bei den Trockenfrüchten handelt es sich um die Feigen der grünen Sorte. Der Prozess dauert drei Tage. Dabei muss das sternförmig aufgeschnittene Obst, das in der Sonne trocknet, jeden Tag gewendet werden. Nach mallorquinischer Tradition werden zwei Feigen aufeinandergelegt, was man im Volksmund "acop" (verbunden) nennt.

Dunklere Sorten verwendet man zur Herstellung von Konfitüre. Zwischen August und Oktober helfen Familienangehörige und Freunde von Monserrat bei der Feigenernte und -verarbeitung.

Aber auch Freiwillige sind herzlich dazu eingeladen. So kann man alle Früchte direkt vom Baum probieren und am Ende die Sorte kaufen, die einem am besten geschmeckt hat. Außerdem werden in Son Mut Nou Führungen angeboten, bei denen Feigenprodukte wie Marmeladen, Weine, Liköre, Öle, Essige und das Feigenbrot verkostet werden können.

Feigenfrüchte haben eine sehr dünne Haut und zählen zu den schnellverderblichen Produkten. Schon nach 24 Stunden setzten im Obst Gärungsprozesse ein. Trotzdem eignet sich die Feige als perfekte Beilage zum Jamón. Monserrat erzählt, dass auf der Insel die honigsüßen Früchte als Nachtisch gelten. So isst man sie mit Käse oder gebrannten Mandeln. "Früher sagte man, dass die Feige das Brot der Armen und das Dessert der Reichen sei", kommentiert der Wissenschaftler.

INFO
Zum Feigensammeln kann man dienstags und donnerstags 10-13 und 17-20 Uhr vorbeischauen. Ein Kilo Feigen kostet 3 Euro. Exkursionen bei vorheriger Anmeldung auf visites@sonmutnou.com oder unter Tel. 971-660395, Preis: 5 Euro. www.sonmutnou.com

(aus MM 37/2014)