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Wie auf dem spanischen Festland wird auch auf den Autobahnen der Insel die zulässige Höchstgeschwindigkeit von Tempo 120 bald Vergangenheit sein. Wer ab Montag, 7. März, mit dem Auto etwa von Palma nach Inca fahren möchte, darf nur noch mit maximal 110 Stundenkilometern unterwegs sein.

Der Grund: Die Unruhen in der arabischen Welt und der dadurch rasant steigende Ölpreis zwingen die spanische Regierung zum Handeln: Um Sprit zu sparen, sollen die Autofahrer den Fuß vom Gas nehmen.

Der sozialistische Vizeministerpräsidenten Alfredo Pérez Rubalcaba will dadurch die Abhängigkeit Spaniens von den Erdölimporten verringern. Angesichts des Höhenfluges des Ölpreises - insbesondere nach der bürgerkriegsähnlichen Situation in Libyen - und dem damit zusammenhängenden Inflationsauftrieb sollen durch die Drosselung des Verbrauchs die Verzerrungen für die Volkswirtschaft so gering wie möglich gehalten werden.

Das spanische Verkehrsministerium errechnete, mit der reduzierten Höchstgeschwindigkeit ließen sich jährlich rund 1'4 Milliarden Euro an Spritkosten einsparen. Nach den Worten Rubalcabas bedeutet ein Anstieg des Ölpreises um zehn Euro eine Verteuerung der Energiekosten im Königreich um sechs Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht 500 Millionen Euro pro Monat. "Unsere Abhängigkeit von den Erdölimporten ist übermäßig groß", räumte Rubalcaba ein. Eine Ansicht, die von Energiewissenschaftlern nur bestätigt wird. Die Versorgung sei zwar nicht gefährdet. Es müsse aber jetzt gehandelt werden, denn es sei nicht abzusehen, wie lange die politische Instabilität im Norden Afrikas und in den arabischen Ländern noch anhalten werde.

Spanien hängt zu 80 Prozent von Energieimporten ab. Wichtigster Erdöl-Lieferant ist der Iran. Danach folgt bereits Libyen, mit einem Anteil von rund 13 Prozent.

Im vergangenen Jahr schlugen die spanischen Erdöleinfuhren mit 25'5 Milliarden Euro zu Buche, das waren bereits 10'3 Milliarden Euro mehr als noch 2009. Und seitdem ist der Barrelpreis auf nunmehr rund 110 Dollar geklettert. An Mallorcas Tankstellen kostete der Liter Benzin am Mittwoch um die 1'30 Euro. (Zum Vergleich: Deutschland 1'55 Euro).

Madrid befürchtet, die hohen Benzinpreise könnten sich auch negativ auf die wirtschaftliche Erholung der ohnehin krisengeschwächten Wirtschaft auswirken.

Das verschärfte Tempolimit ist nur ein Teil des Sparpakets. Um den Bürgern das Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel schmackhaft zu machen, werden vom 7. März an die Bahnpreise auf Pendlerstrecken um fünf Prozent gesenkt. Zudem soll der Anteil von Biokraftstoff im Benzin von 5'8 auf 7'0 Prozent erhöht werden - damit lassen sich laut Regierung weitere 160 Millionen Euro im Jahr sparen. Überdies soll die Beleuchtung von Straßen und öffentlichen Gebäuden auf Sparlampen umgestellt werden. Behörden-Fuhrparks werden eingeschränkt.

Doch vor allem das verschärfte Tempolimit hat in Spanien eine heftige Kontroverse über den tatsächlichen Nutzen ausgelöst. Die konservative Volkspartei (PP) kritisiert die Pläne der Regierung als "chaotisch, lächerlich und grotesk" und hält den angekündigten Spareffekt für übertrieben. So treffe das Tempolimit zwar die Autofahrer, nicht aber Lastwagen und Busse, die sowieso langsamer fahren müssten. Auf sie kommt aber ein Drittel des gesamten Spritverbrauchs. Außerdem entfalle auf die Autobahnen nur 60 Prozent des Verkehrs. Der Rest konzentriere sich auf Städte. "Es geht hier um sowjetische Maßnahmen, wie sie heute die Menschen auf Kuba ertragen müssen", kritisierte PP-Sprecher González Pons. "Die Spanier können nicht per Dekret zum Sparen gezwungen und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden." Das Land brauche ein neues Energiemodell.

Auch Spaniens Automobilclubs laufen gegen die Verordnung Sturm. Spaniens zweifacher Formel-1-Weltmeister Fernando Alonso kritisierte ebenfalls die neue Vorgabe. Bei Tempo 110 falle es schwer, am Steuer wachzubleiben. Vize-Regierungschef Rubalcaba konterte umgehend: Ihm seien bei seinen Reisen in den USA, wo ein gleiches Tempolimit bestehe, keine schlafenden Autofahrer aufgefallen.

Den Umweltschützern geht der Sparplan dagegen nicht weit genug. "Die Regierung hat die Chance vertan, eine wirklich durchgreifende Lösung zu beschließen", heißt es bei Greenpeace. Die Organisation Ecologistas en Acción forderte, die Geschwindigkeit auf Autobahnen dauerhaft auf 100 Stundenkilometer zu begrenzen. Genau das fürchten viele Autofahrer in Spanien am meisten. Das erste Tempolimit überhaupt war im Zuge der großen Ölkrise von 1973 noch unter der Franco-Diktatur eingeführt worden - es wurde nie wieder abgeschafft.

Das jetzt reduzierte Tempolimit wird von der Regierung als temporäre Maßnahme bezeichnet. Wie lange es gelten soll, weiß niemand. Fest steht jedoch, dass Spaniens Autobahnmeistereien in den kommenden Tagen nicht unter Arbeitsmangel klagen werden: Sie müssen landesweit 6000 Verkehrsschilder überkleben, um sie an das neue Tempolimit anzupassen. (as/dpa)