TW
0

Seine Prinzipien, hat der Philosoph Theodor W. Adorno mal gesagt, sollte man sich für die wenigen Situationen im Leben aufbewahren, in denen es auf Prinzipien ankommt: Für den Rest reicht ein wenig Menschlichkeit.

Eine Eigenschaft, die EKD-Chefin Käßmann immer wieder ausgezeichnet hat, wie auch ihr Humor, der jetzt in einem leichten Anflug sogar in ihrer Rücktrittsrede durchschien, als sie von „einem guten Rat” sprach, den man ihr mit auf den „Radfahrweg” gegeben habe. Das hätte dem Grandseigneur des feinen Humors, Sir Peter Ustinov, bestimmt gefallen, von dem der Ausspruch stammt: Jeder Mensch macht Fehler. Das Kunststück liegt darin, sie dann zu machen, wenn keiner zuschaut.

Bei Margot Käßmanns 1'5-Promille-Fahrt haben alle zugeschaut. Zu ihrem Rücktritt haben sie nach eigenen Angaben aber vorrangig „die Achtung vor sich selbst” und ihre „eigene Geradlinigkeit” bewogen. Ehrliche Worte und eine couragierte Haltung, die man sich öfter wünschen würde – und vor allem von Menschen, die ihr Amt oder ihre Öffentlichkeit tatsächlich missbrauchen.

Man stelle sich vor, die vielen in die Korruptionsskandale verwickelten Politiker auf Mallorca hätten eine ähnlich würdevolle Verantwortung für ihre Taten übernommen: „Nie ist das, was man tut, entscheidend, sondern immer erst das, was man danach tut”, sagt der Schriftsteller Robert Musil über „Moral”. Was geschieht nach den bisher 120 Meldungen von Missbrauchsfällen im katholischen Jesuitenorden? Bisher nur das: Die Deutsche Bischofskonferenz will auf ihrer nächsten Frühjahrsvollversammlung „über den Umgang mit Missbrauchsfällen beraten”.

Auch die über 30 Athleten, deren Ausschluss kurz vor dem Start der Olympischen Winterspiele für einen weiteren Doping-Skandal sorgte, lassen die Frage nach der „Vorbildfunktion” wieder laut werden. „Betrüger” seien wegen deutlich verbesserter Testverfahren „einfacher zu erwischen”. Fazit: Echtes „Vorbildverhalten” gründet eben nicht auf Verboten, Kontrollen und der Angst, „erwischt” zu werden. Das weiß Frau Käßmann, und Sir Peter Ustinov wusste das auch: „Jedes Kind, das etwas taugt, wird mehr durch Auflehnung als durch Gehorsam lernen.”