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Die Ausstellung „Von Millet bis Matisse” – zur Zeit zu sehen in der Kulturstiftung La Caixa im Gran Hotel – ist der Beweis: Große Kunst findet nicht nur in Metropolen statt. Und wer hätte schon gedacht, dass Glasgow eine Kunststadt ist.

Wie Vivian Hamilton, Kuratorin der Ausstellung und Kunstexpertin der Kelvingrove Art Gallery, bei der Präsentation der 64 Arbeiten großer meist französischer Impressionisten erläuterte, kam mit der Einführung der Industrie in Glasgow wenig später auch das Kunstverständnis. Die schottische Stadt wuchs innerhalb von nur hundert Jahren, zwischen 1800 und 1900, von 77.000 auf eine Million Einwohner.

„Industrielle wie James Watt oder Sir John Richmond verdienten in jener Zeit viel Geld. Gleichzeitig wollten sie aber auch ihre Heimatstadt an ihrem Wohlstand teilhaben lassen”, sagt Hamilton. „So vermachten sie ihre Sammlungen, deren Arbeiten sie nach und nach vor allem in Paris erwarben, der Stadt.” Die Kelvingrove Art Gallery wurde 1901 gegründet und von Anfang an durch Schenkungen bestückt. Heute beherbergt sie die weltweit größte Städtische Sammlung von Impressionisten.

Doch im Laufe der Zeit veraltete das Gebäude und bedurfte der Restaurierung. Deshalb konnte die Sammlung auf Reisen gehen. Erst in die Vereinigten Staaten und nach Kanada, jetzt nach Palma. Die Balearen- Hauptstadt wird der einzige europäische Ausstellungsort sein.

Besonders Alexander Reid, zu seiner Zeit der wichtigste Marchand der Stadt, schrieb die Geschichte der Kunst in Glasgow. Er reiste selbst mehrere Male nach Paris, wo er unter anderen auch Theo van Gogh kennenlernte. Und dessen Bruder Vincent. Man freundete sich an; Reid wohnte mehrere Male für einige Tage bei den van Gogh-Brüdern.

Und Vincent malte Alexander Reid. Das Bild wurde einige Zeit lang für ein Selbstporträt gehalten. Die Ähnlichkeit zwischen beiden ist unübersehbar. Das Bild ist das Kernstück der Ausstellung.

Sie ist in sieben verschiedene Sektionen eingeteilt: Wandel ist der französischen Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert; Reflexe – Licht auf dem Wasser; Stadtansichten; Menschen in der Natur; Porträts, Interieurs und Stilleben. Die Entstehungsdaten der Bilder reichen von 1830 bis 1940.

Ab 1850 veränderte sich die Landschaftsmalerei in Frankreich, die Maler arbeiteten nicht mehr im Atelier, sondern im Freien. Mal machten sie nur Skizzen wie Corot, mal wurde das Bild selbst dort fertiggestellt, wie bei Monet. Cézanne und Seurat wollten die Wahrheit hinter der Wirklichkeit vermitteln, Gauguin oder Bernard suchten eine ganz neue Formensprache.

Licht, besser gesagt Tages– und Sonnenlicht wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem wichtigen Faktor der Malerei. Man wollte den Augenblick einfangen, es gab den schnellen Pinselstrich wie bei Boudin oder Daubigny; Signac entwickelte eine neue Farbtheorie durch seinen Pointillismus; mit Derain kam der Fauvismus ins Spiel.

Auch bei den Stadtansichten änderte sich viel – auch hier mussten sich die Maler entscheiden, ob sie draußen oder drinnen malten: Utrillo etwa malte im Atelier, machte aber kaum jemals eine Skizze, andere wie Boudin suchten die Genauigkeit der Abbildung, wieder andere wie Sisley oder Le Sidaner suchten die Poesie in der Alltäglichkeit.

Bäuerliches Leben übte zwischen 1850 und 1860 große Faszination auf die Maler aus, wie die realistischen Bilder von Millet oder Jules Breton beweisen. In den Folgejahren malte man auch die Bürger, wenn sie – was damals neu war – in der freien Natur Erholung suchten. Bei den Porträts suchte man nicht mehr, dem Porträtieren zu schmeicheln, vielmehr wurde es wichtig, den Charakter oder besondere psychologische Eigenschaften zu vermitteln, wie etwa bei Matisse oder Rouault.

Stilleben waren in der Mitte und gegen Ende des 19. Jh. wenig gefragt; man war die üppigen Darstellungen der vorangegangenen Jahrzehnte leid. Doch Cézanne oder Courbet gaben dem Genre wieder Aufschwung; Matisse entwickelte eine ganz neue Form dieser Kunst; bei Barque oder Marcoussis klingt schon die Moderne an.j

Von Millet bis Matisse – Französische Impressionisten des 19. und 20. Jahrhunderts. Kulturstiftung La Caixa im Gran Hotel, Palma, Placa Weyler 3. Geöffnet bis 24. April von Dienstag bis Samstag von 10 bis 21 Uhr, sonn– und feiertags von 10 bis 14 Uhr, montags geschlossen. Eintritt frei.