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Als Superminister Wolfgang Clement vor wenigen Tagen eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten anregte, schlugen quer durch die Parteien die Wellen hoch. Die Gewerkschaften rüsteten sich umgehend zum harten Gefecht und versprachen dem Wirtschaftsminister einen heißen Tanz. Ginge es nach dem Rheinländer, dürfte der Einzelhandel in Zukunft werktags rund um die Uhr öffnen. Die Sonn– und Feiertagsregelung will er den Bundesländern überlassen. Zwölf Bundesländer kündigten bereits ihren Widerstand an.

Vermutlich hatten sich Clements Berater im Vorfeld in den europäischen Nachbarländern umgesehen. Dort ist beispielsweise gängige Praxis, an Sonn– und Feiertagen zumindest vormittags zu öffnen. Wobei im katholischen Spanien der Ruhetag weitgehend eingehalten wird. Handelt es sich nicht um einen der gesetzlich festgelegten verkaufsoffenen Sonntage, beschränken sich die Einkaufsmöglichkeiten im Allgemeinen auf Brot, Blumen und Zeitung.

Doch das Beispiel Balearen zeigt, dass es eine landesweit einheitliche Regelung nicht gibt. Schreibt das spanische Ladenschlussgesetz für dieses Jahr zwölf verkaufsoffene Sonn– und Feiertage vor, geben sich die Inseln mit fünf zufrieden. „Jeder weitere Tag wäre wirtschaftlich gesehen sinnlos”, sagt der Präsident des mallorquinischen Einzelhandelsverbands AFEDECO, Pau Bellinfante. Zusammen mit dem Verband der mittelständischen Unternehmen, PINEM, überredeten die Händler das hiesige Wirtschaftsministerium zum Verzicht auf die restlichen sieben Tage. Denn in Sachen Feiertagsregelung hat die Region das letzte Wort. Bellinfantes PINEM-Mitstreiter Ángel Pujol nennt den Vorgang einen „Deal unter Freunden”.

Keine Freunde machten sich die beiden Verbände bei den großen Kaufhäusern und Verbrauchermärkten wie El Corte Inglés, Carrefour oder Alcampo. Die sind im Verband ANGED zusammengeschlossen und verstehen sich als Anwalt des modernen Verbrauchers. „Die Einkaufsgewohnheiten der Menschen haben sich in den vergangenen Jahren geändert”, sagt deren Sprecher Bartolomé Sitgar. Wegen Zeitmangels bliebe vielen Berufstätigen nichts anderes übrig, als in den Abendstunden oder am Wochenende ihre Einkäufe zu erledigen. Die im ANGED zusammengeschlossenen Unternehmen drohten unlängst, an den zwölf verkaufsoffenen Sonn– und Feiertagen festzuhalten. Die Mittelständler hingegen fürchten um ihre Existenz. Aus Kostengründen könnten sich längere Öffnungszeiten die wenigsten leisten, klagt Verbandsfunktionär Pujol.

Entspannter gestaltet sich das Geldverdienen zwischen Montag und Samstag. Dabei ist sich ganz Spanien einig, dass hierfür 72 Wochenstunden ausreichen müssen. Der Gesetzgeber schreibt nur eine maximale Öffnungszeit von zwölf Stunden pro Tag vor. „Der Händler kann sich diese Stunden nach Belieben einteilen”, so Pujol vom PINEM. Und in Tourismuszentren wird von Mitte März bis Ende Oktober zwischen Werk– und Feiertagen nicht mehr unterschieden. „Dann können die Geschäfte sieben Tage die Wochen bis zu zwölf Stunden täglich öffnen.”

Dass der Konsumwille mit längeren Öffnungszeiten steige, glaubt AFEDECO-Chef Bellinfante keinesfalls. „Es gibt tagsüber schon jetzt Stunden, in denen kaum Umsatz gemacht wird.” Ángel Pujol von den Mittelständlern pflichtet ihm bei, gesetzlich geändert werden sollte nur der Einfluss der Zentralregierung. „Aber nach dem Regierungswechsel sind wir optimistisch, dass die Kompetenzen zu Öffnungszeiten bald ausschließlich bei den Regionen liegen.”

In Deutschland scheinen die Bundesländer den Vorstoß Clements verhindern zu können. Und auch dort verweisen die Mittelständler auf den Wettbewerbsnachteil gegenüber den Großen der Branche. Derweil ist Clements Ziel durchaus lobenswert: der Abbau vielfach überflüssiger Bürokratie.