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Anlässlich der Fiesta „Corpus Cristi” sind vom 9. Juni bis zum 30. August viele der historischen Innenhöfe der Stadt Palma täglich außer Sonntag von 11 bis 13 und von 17 bis 20 Uhr der Öffentlichkeit zugänglich. Welche es genau sind, erkennt der Besucher an einem roten Schild neben dem Eingang.

Mit der Wiedereroberung von Palma durch König Jaume I. von Aragòn hat sich das Stadtbild gewandelt. Wie Palma vor 1229, zur Zeit der arabischen Herren aussah, kann anhand von erhaltenen Skizzen rekonstruiert werden. Der Machtwechsel veränderte die Stadt radikal, ähnlich wie sich die maurische Moschee unwiderruflich in eine Marienkirche, die Kathedrale, verwandelte.

Nach der Schlacht bei Lepanto im Jahr 1571, die der türkischen Seeräuberei ein vorläufiges Ende setzte, begann ein neue, schwungvolle Bauphase an der Kathedrale. Und in deren Umgebung, denn es galt über Jahrhunderte als schick, in der Nähe des Gotteshauses zu wohnen. Reich gewordene Kaufleute und Handwerker, die Aufträge beim Kathedralenbau hatten, kauften ebenso wie die Herren des Klerus. Und die dereinst mit Land– und Steuerprivilegien ausgezeichneten Adligen beschäftigten Architekten, Maurer und Bildhauer, die am Kathedralenbau wirkten, bei der Einrichtung ihrer neuen Palacios.

So kam es, dass weder hier noch dort Stümper am Werk waren, sondern im Gegenteil weltoffene Geister, die den damaligen Trends Tribut zollten und die Einflüsse in Kunst und Architektur aus Italien gierig aufnahmen. Paläste à la italiana entstanden. Keiner erreichte den militanten Glanz, die aggressive Wucht eines genuesischen oder römischen Palacio. Die Mächtigkeit der italienischen Bauformen scheint in Palma gemildert. Grazie und Anmut dominieren. Möglicherweise ein Erbe aus der dreihundertjährigen arabischen Epoche. Somit ist der Patio auch ein Teil des arabisches Erbes.

Um den Patio, den viereckigen Innenhof, gruppieren sich die einzelnen Bauteile der Palacios. Zur Galerie im ersten Stock führt meist eine schön geschwungene Treppe. Unabdingbar ist der Brunnen im Innenhof, der allen Bewohnern zugänglich zu sein hat. Die Größe des Patio ergab sich aus dem Reichtum der Bauherren.

In der ersten Etage, der so genannten „Planta Noble”, wohnte die Familie, im Stock darüber das Gesinde. Der nach italienischem Muster darüber befindliche Halbstock diente als Lagerraum.

Auffallend sind die vom italienischen Vorbild völlig abweichenden „mallorquinischen” Halb– oder Korbbögen: Eine Stilbesonderheit, die sich aus dem für die Konstruktion verwendeten Material ergab. Der Sandstein aus Santanyí, dem auch die Kathedrale viel von ihrer Schönheit zu verdanken hat, ließ sich nicht zu den italienischen Renaissance–Bögen zwingen, sondern nur zu in der Höhe abgeflachten Bögen verarbeiten.

Die Fassaden sind durchweg schlicht, gelegentlich mit einer Loggia, wie beim Palacio Solleric oder beim Consulat de Mar versehen. Schlicht auch die Portale, die metallene, manchmal vergoldete Türklopfer aufweisen. Deren Formen wurden ebenfalls aus Italien importiert. Das arabische Wort „aldaba” – Türklopfer – weist allerdings darauf hin, dass diese Art von „Klingelknopf” schon bei den Mauren Sitte war.

Die historischen Palacios sind heute in den gängigen Reiseführern als Sehenswürdigkeit aufgeführt und zur Besichtigung empfohlen. Viele von ihnen sind jedoch meist für Besucher geschlossen. Denn sie sind, wenn sie nicht wie der Casal Solleric zum Museum wurden, heute noch oder wieder bewohnt. Vornehmlich jüngere Leute, die allerdings ein einigermaßen gut ausgestattetes Bankkonto brauchen, ziehen ein Quartier in einem historischen Palacio der komfortablen Einheitswohnung vor.

Die Palacios von Palma mit ihren Innenhöfen gelten neben der Kathedrale und dem Schloss Bellver als das wichtigste Kulturerbe der Stadt. Kein Wunder, dass sich Palma bei der Weltausstellung von Sevilla, der Expo im Jahre 1992, durch seine Patios der Weltöffentlichkeit präsentierte.