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Ihre Tricks sind schon Jahrzehnte alt, und doch fallen immer noch Urlauber auf sie herein: Die Nelkenfrauen in Palma kennen keine Rezession. Und wenn richtig was los ist in der Stadt, wie zuletzt an den Osterfeiertagen, floriert ihr „Geschäft” mächtig.

Die Masche der Frauen ist einfach beschrieben: Sie bieten dem Passanten eine Nelke an und bitten um ein Dankeschön in Form barer Münze. Im günstigsten Fall geben sie sich damit zufrieden. In der Regel haben es die „Claveleras” (Clavel = Nelke) aber auf die gesamte Barschaft ihres Gegenübers abgesehen. Sobald das Portemonnaie gezückt ist, erfolgt ein Ablenkungsmanöver, und – schwupp – das Geld ist weg. Um erfolgreich agieren zu können, tauchen die Frauen immer zu mehreren auf. So lässt sich das Oper leichter ablenken und die Beute schneller in Sicherheit bringen.

Bevorzugtes Terrain der diebischen Elstern ist die Umgebung der Kathedrale, der Spazierweg auf der Stadtmauer etwa oder der Garten S'Hort del Rei unterhalb des Almudaina-Palastes. Hier spielten sich auch am Gründonnerstag die heftigsten Jagdszenen ab. Es zeigte sich, dass viele Urlauber auf das „Attentat” vorbereitet sind und entsprechend klug reagieren. Aber offensichtlich treffen die Nelkenfrauen immer noch auf genügend Unwissende, damit sich ihre Beutezüge lohnen.

Ein Urlauberpaar in den Fünfzigern spaziert durch den S'Hort del Rei und wird von mehreren Frauen bedrängt. Die sind jetzt allerdings an die Falschen geraten. Die Gäste halten sich die Frauen vom Leib und rufen die Polizei. Die Beamten treffen auch rasch ein – um eine Kostprobe ihrer Ohnmacht zu geben. Zur Festnahme reicht der Annäherungsversuch der Frauen nämlich nicht. Also können die Polizisten nur das Handwerkszeug, die Nelken, konfiszieren.

Kaum ist die Streife verschwunden, ziehen die Frauen unter einer Parkbank einen neuen Strauß Nelken hervor, und die Schose beginnt aufs Neue.
Aber auch im nächsten Fall beißen sie auf Granit. Der deutsche Tourist riecht den Braten rechtzeitig und hält sich die Kletten mit einem lautstarken Wutausbruch vom Leibe. Die Claveleras kümmert das wenig. Sie schalten ihre Ohren auf Durchzug, als ob sie das gar nichts anginge – weiter im Geschäft ...

Die Nelkenfrauen fühlen sich deshalb so sicher, weil Polizei und Justiz nicht gegen sie ankommen. Selbst wenn eine Frau bei einem Raub ertappt wird – was selten geschieht –, kommt sie in der Regel nach kurzer Zeit wieder frei.

Wichtigste Präventivmaßnahme ist deshalb die Aufklärung. In den Medien – dieser Artikel soll dazu dienen –, aber auch durch die Reiseveranstalter. Die meisten von ihnen warnen tatsächlich vor den gängigsten Gaunereien, aber nicht alle Urlauber hören hin, und die vielen Individualtouristen werden auf diese Weise ohnehin nicht erreicht. Ähnlich verhält es sich mit dem Hütchenspiel. Auch dabei verliert der Urlauber immer – nur mit dem Unterschied, dass er sich durch die Teilnahme quasi selbst in die Gefahr begibt.

Hilfreich wäre auch eine stärkere Polizeipräsenz in den Aktionsgebieten der Kleinkriminellen, auch wenn das kosten sollte. Denn der Imageschaden durch Claveleras & Co. ist mindestens so groß wie der Ärger der abgezockten Urlauber.