Die Ölpest vor der nordspanischen Küste hat auch die Gemüter auf
Mallorca erhitzt. Die balearische Umweltschutzorganisation GOB
veranstaltete am Montag auf dem Borne in Palma eine Kundgebung und
rief zur Solidarität mit den Betroffenen in Galicien auf. Rund 1000
Demonstranten forderten auf Plakaten und mit Zwischenrufen „Nie
wieder”. Balearenpolitiker sämtlicher Parteien mit Ausnahme der in
Madrid regierenden Volkspartei PP nahmen an dem Demonstrationszug
teil.
Unterdessen legte am darauffolgenden Tag im Hafen von Palma zum
wiederholten Male ein Tanker ähnlichen Typs wie die leckgeschlagene
und gesunkene „Prestige” an. Die einwandige „Calvo Sotelo”
transportiert seit 25 Jahren bis zu 30.000 Tonnen Schweröl,
allerdings unter spanischer Flagge. Das Unternehmen erklärte, dass
aufgrund der EU-Zugehörigkeit regelmäßig Tests durchgeführt werden.
Insgesamt laufen Schiffe von CHL rund 60 Mal im Jahr Häfen auf den
Balearen an.
Mehrere tausend Jugendliche aus ganz Spanien verbrachten das
verlängerte Wochenende mit Reinigungsarbeiten in Galicien. Die
Mallorquinerin Silvia Baz González, die am Strand von Santa Maria
de Oia Hand an zentimeterdicke Ölschichten legte, bezeichnete die
Bedingungen wegen fehlender beziehungsweise unbrauchbarer
Materialien als „inhuman”. Die giftigen Dämpfe hätten unter den
Freiwilligen oftmals zu Übelkeit und Hautausschlägen geführt.
Derweil wird die Anreise von zwei weiteren Freiwilligen-Gruppen
aus Mallorca organisiert. Am 16. Dezember werden sich rund 20
Helfer des Zivilschutzes auf den Weg nach O Grove machen, um dort
in die Reinigungsarbeiten am Strand einzugreifen. Ein galicischer
Unternehmer plant zudem, mit einem gecharterten Flugzeug in den
nächsten Tagen 170 Freiwillige kostenlos von Mallorca nach Galicien
zu befördern. Interessierte Arbeitswillige müssen Volljährig sein
und sich unter der Telefonnummer 971-795633 anmelden.
Die Lage im Atlantik hat sich derweil wieder verschärft. Nachdem
sich das Krisenkabinett um Regierungschef José María Aznar (PP)
eine Weile auf das Prinzip Hoffnung stützte, brachte das
französische Spezial-U-Boot „Nautile” am Dienstag die schlechte
Nachricht an die Oberfläche: Aus 14 Rissen im Rumpf der „Prestige”
strömen täglich etwa 125 Tonnen Dieselöl.
Der Tanker war am 19. November 250 Kilometer vor der Küste
Galiciens auseinander gebrochen und gesunken. In den Tanks in 3600
Meter Tiefe vermuten Experten noch 50.000 von ursprünglich 77.000
Tonnen Dieselöl. An der Stelle des Tankerunglücks hat sich
inzwischen ein Ölteppich von der zweifachen Größe Ibizas
ausgebreitet. Für die Küste bedeutet das die Gefahr einer weiteren
Schwarzen Pest. Die Ausläufer der ersten Welle bewegen sich
unterdessen auf die französische Küste zu. Auch im Baskenland
erreichte das ausgetretene Öl bereits die Strände.
Ministerpräsident Aznar räumte in einem Fernsehinterview
mögliche Fehler beim Krisenmanagement ein. Er bezeichnete das
Unglück als „die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte
Spaniens”. Etwaige Fehlentscheidungen seien aber inzwischen
korrigiert worden. Der in letzter Zeit immer mehr in die Kritik
geratene Aznar warf der Opposition vor, aus der Umweltkatastrophe
politisches Kapital schlagen zu wollen.
Ungewöhnlich kritisch ging Aznar mit seinem Umweltminister und
wahrscheinlichen PP-Spitzenkandidaten für die balearischen
Kommunalwahlen im Mai, Jaume Matas, ins Gericht. In einer
Krisensitzung des Kabinets warf Regierungschef Aznar dem Minister
fehlende Präsenz beim Krisenmanagement vor. Auch
Verteidigungsminister Federico Trillo bekam sein Fett ab. Aznar
bemängelte, dass nicht von Anfang an Soldaten an die Küste beordert
wurden.
Laut Aznar kämpft die Regierung Spaniens in Sachen Ölpest an
vier Fronten gleichzeitig: möglichst rasche finanzielle
Entschädigung für unmittelbar Betroffenen bereitzustellen, die
verseuchten Strände von der öligen Masse zu befreien, die
internationalen Gesetze umfassend und rasch zu reformieren und der
Region Galicien wieder auf die Beine zu helfen.
Bereits diesen Freitag will das Kabinett ein Dekret
verabschieden, wonach Einhüllentanker mit gefährlicher Fracht ab
sofort einen Mindestabstand von 200 Seemeilen zur spanischen Küste
einhalten müssen.
Mit der EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio hat Aznar eine
Mitstreiterin gefunden. De Palacio kündigte an, EU-weit ein Verbot
alter Einhüllentanker, die für den Transport von Schweröl, Teer,
Bitumen oder schwerem Rohöl gedacht sind, anzustreben. Dazu sollen
die Mitgliedsstaaten umgehend entsprechende Vorschriften erlassen.
Tanker wie die „Prestige” bezeichnete sie als ökologische Bomben.
Die Kommissarin will sich für ein Verbot solcher Tanker bis 2010
stark machen.
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