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Er ist witzig, geistreich, mit andalusischem Temperament und Akzent. Und er bringt die Knochen zum Sprechen. José Antonio Lorente Acosta heißt der Mann, auf den die spanischen und vor allem mallorquinischen Kolumbus-Forscher ihre Hoffnung setzen. Der Professor an der medizinischen Fakultät der Universität Granada ist einer der führenden Humangenetik-Experten der spanischsprachigen Welt. Wie kaum ein anderer versteht er sich darauf, aus menschlichen Gebeinen das Erbgut herauszufiltern und zu vergleichen. Der 41-jährige Wissenschaftler soll anhand von DNA-Analysen feststellen, ob Christoph Kolumbus entgegen geläufiger Ansicht statt aus Genua nicht doch aus Mallorca stammte und sogar königlichen Blutes war.

„Ich gehe davon aus, dass es noch zwölf bis 18 Monate dauert, bis wir Ergebnisse haben”, sagte Lorente zu Beginn seines Vortrages, den er am Mittwoch auf Einladung der Cristóbal-Colón-Gesellschaft in Palma hielt. Rund 100 Zuhörer waren im Militär-Club Es Forti zusammengekommen, um sich gut eineinhalb Stunden in die Geheimnisse der Gen-Analyse als historische Hilfswissenschaft einführen zu lassen.

Für die Suche nach dem Entdecker der Neuen Welt ist Lorente prädestiniert. 1989 promovierte er als Mediziner an der Hochschule von Granada, danach folgten Fortbildungen unter anderem an den Universitäten Heidelberg und Münster. 1992 erhielt er ein Nato-Stipendium und setzte seine Spezialisierung am FBI-College in den USA fort. In Spanien sorgte Lorente für Schlagzeilen, als er im März dieses Jahres Genproben von Gefallenen des Bürgerkrieges nahm. Die 13 Republikaner aus einem Dorf bei León waren in einer Nacht-und-Nebel-Aktion hingerichtet und in einer Grube verscharrt worden. 66 Jahre nach dem Blutbad konnten die Familien ihre Angehörigen zur letzten Ruhe betten. Es war das erste Mal, dass mit Hilfe der Humangenetik Tote des Bürgerkrieges identifiziert wurden.

Nicht jedoch für Lorente. Der Spanier ist Mitglied in mehreren internationalen Gremien, die sich bei der Suche nach Opfern von Diktaturen in Lateinamerika engagieren. Regelmäßig kommen im Labor für Humangenetik in Granada versiegelte Pakete mit menschlichen Knochen an, damit er den Toten wieder zu ihrem Namen verhilft. In Spanien wiederum gründete Lorente die Gen-Datenbank Fénix, in der Erbgut-Informationen von Angehörigen von Vermissten sowie von nichtidentifizierten Leichen gesammelt werden.

In Sachen Kolumbus ist die Suche ungleich komplizierter, warnt Lorente vor allzu großer Euphorie. Allein im Falle des Seefahrers sind mindestens zwei Gerippe zu untersuchen, da die dem Entdecker zugeschriebenen sterblichen Überreste sowohl in Sevilla als auch in der Dominikanischen Republik ruhen (MM 37/2002). Von den Gebeinen des angeblichen Kolumbus-Bruders Diego sind im September Proben entnommen worden. „Der Zustand des Gewebes ist allerdings sehr schlecht”, so Lorente. Vom möglichen Vater Kolumbus', dem Príncipe de Viana, ist Genmaterial vorhanden, wobei noch nicht sicher ist, ob der Tote tatsächlich jener Königssohn ist, da die Mumie nach Raubplünderungen im Kloster Poblet bei Tarragona mehrfach umgebettet wurde und sich Knochen von weiteren Toten im Sarkophag fanden.

Im Februar, so hofft Lorente, sollen in Sevilla Proben von Kolumbus und Sohn Hernándo entnommen werden. Sie werden dann vierfach von einem internationalen Genetiker-Team in Europa und Amerika überprüft. „Nur wenn alle zu demselben Ergebnis kommen, könnte das größte Puzzle der Weltgeschichte als gelöst betrachtet werden.”