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In großen Lettern bringt derzeit der für Müllangelegenheiten zuständige Inselrat CIM die Botschaft auf Plakatwänden unters Volk: „Mallorca recicla” – ein Appell an all jene, die mit dem Begriff Wiederverwertung noch immer nicht viel anfangen können.

Bleibt zu hoffen, dass sich die Menschen für dieses Thema erwärmen lassen, denn der Müll wächst Mallorca langsam über den Kopf. „Die gesammelte Menge an Hausmüll nimmt jährlich um sechs bis acht Prozent zu”, sagt Umweltdezernent Miquel Àngel Borràs (UM). Im November werde daher der erst vor zwei Jahren geänderte Generalplan zur Müllentsorgung erneut an die Realität angepasst werden müssen. Damals glaubte man noch daran, einem Anwachsen des Müllbergs mit dem Aufstellen von Recycling-Tonnen Einhalt gebieten zu können. Man rechnete mit einer Höchstmenge von jährlich 470.000 Tonnen, die letztendlich noch in der Verbrennungsanlage Son Reus landen würden. Tatsächlich sind es bereits 50.000 mehr, wie Borràs zugibt.

Große Hoffnung setzt der Umweltdezernent in das Abfall-Verwertungszentrum, das gerade neben Son Reus mit einer kräftigen Finanzspritze der Europäischen Union gebaut wird. Dort soll ab Frühsommer 2003 das Recyclingwesen seine notwendige Infrastruktur erhalten. Dann sollen Papier, Verpackungsmaterial und Glas vor Ort nicht nur getrennt, sondern gleich nebenan, im entstehenden Firmenpark Ses Veles, vollständig zu neuen Produkten wieder verwertet werden. Des Weiteren ist eine Kompostieranlage zur Erzeugung von Biogas geplant.

Und weil sich das alles so gut anhört, wird die neue Müll-City auch Besuchern offen stehen: Mit einer Einschienenbahn werden die Müll-Touristen durch die wichtigsten Prozess-Zentren schweben. Begleitet von einer erklärenden Stimme aus den Lautsprechern.

Laut Zahlen des Inselrats stieg die Menge getrennt gesammelten Hausmülls von 20.870 Tonnen im Jahr 2000 auf 22.541 Tonnen im vergangenen Jahr. Für Borràs, der den Verbrauchern eine Wiederverwert-Mentalität anerziehen will, noch lange nicht genug. Sein mittelfristiges Ziel bis 2006 ist, den Anteil von recycelbarem Abfall von derzeit etwa fünf Prozent auf 35 Prozent anzuheben. Gleichzeitig sollen nur noch fünf bis zehn Prozent anstatt wie bislang 30 Prozent des Hausmülls auf der Deponie landen.

Davon ist man derzeit aber noch weit entfernt. Die zwei Verbrennungsöfen in Son Reus laufen auf Hochtouren und verbrannten im letzten Jahr 334.000 Tonnen Müll. Der Rest, rund 180.000 Tonnen, landete statt im Feuer auf der angrenzenden Mülldeponie. „Die ist in den vergangenen drei Jahren um gut fünf Meter gewachsen”, veranschaulicht Joan Vidal, Pressesprecher des Son- Reus-Betreibers TIRME. Seine Firma lebt vom Müll, den die Einwohner Mallorcas und die Millionen Touristen Tag für Tag produzieren. Sämtliche 53 Gemeinden laden ihren Müll via fünf Umladestationen (Alcúdia, Binissalem, Calvià, Campos und Manacor) vor den beiden Öfen ab – pro Tonne kassiert TIRME 55'62 Euro.

Glaubt man Vidal, wird es das Recycling-Wesen auch in den nächsten Jahren noch schwer haben. „Da muss in erster Linie die Bevölkerung mitspielen, und das wird noch lange dauern”, äußert er seine Zweifel. So wird der Deponie-Berg erstmal weiter ungestört anschwellen können.

Eigentlich wäre ja nichts einfacher, als sich des ganzen Problems durch Verbrennen zu entledigen. Doch erstens reicht hierfür nicht die Kapazität der beiden Öfen (ein dritter ist bereits im Gespräch), und zweitens bleibt auch bei diesem Prozess so einiges übrig: letztes Jahr 84.000 Tonnen Schlacke und 22.000 Tonnen Asche. Den Vorwurf der balearischen Umweltschutzorganisation GOB, wonach die Asche giftiges Dioxin enthalte, wischt Umweltdezernent Borràs vom Tisch: „Das ist eine Lüge.” Trotzdem wird die mit Zement und Wasser vermischte Asche demnächst auf einer neuen Sicherheitsdeponie endgelagert werden – so, wie es die EU-Norm vorsieht.

Weitaus problemloser ist der Umgang mit der Schlacke, die hauptsächlich aus Metallteilen und Keramikresten besteht. Beim Straßenbau, so Vidal, dient sie als Unterlage der Asphaltschicht.

Bleibt also die Mülldeponie. Ganz auf sie zu verzichten, wäre utopisch, meint Vidal, denn selbst bei effektivstem Recycling bleibe immer Restabfall zurück. Etwa 30 Prozent des malloquinischen Abfalls finde derzeit auf der Deponie seine letzte Ruhe. Ein Prozentsatz, der „weit von der EU-Empfehlung von fünf Prozent entfernt ist”. Danach soll nur noch jener Abfall dort enden, der beim Recyceln anfällt. Doch das hält der TIRME-Sprecher noch für Zukunftsmusik.

Sein Unternehmen widmet sich jedoch nicht nur der Müllentsorgung, sondern produziert beim Verbrennungsvorgang gleichzeitig thermische Energie. „Wir erzeugen nebenbei Strom für eine 120.000-Einwohner-Stadt”, so Vidal. Abnehmer des lukrativen Nebenprodukts ist der Energieversorger GESA-Endesa.

Mit der Eröffnung der Abfallverwertungsanlage im nächsten Frühsommer wird TIRME groß in das Recycling-Geschäft einsteigen. Bislang betreibt das Unternehmen die bisher einzige, wenn auch provisorische Sortieranlage in Alcúdia, von wo aus Papier, Glas und Kunststoff getrennt den Weg auf das Festland antreten. Ab kommenden Jahr soll der Recycling-Mittelpunkt in Son Reus liegen, daher auch der angrenzende Firmenpark, wo die selektierten Stoffe gleich weiterverarbeitet werden sollen. Mallorca bereitet sich sozusagen gerade auf das Zeitalter des Recyclings vor.

Kein Wunder also, dass Umweltschützer nicht besonders angetan sind von der Müllpolitik auf den Balearen. Zwar sei in den letzten drei Jahren einiges besser geworden, so Miquel Angel March von GOB, doch „das reiche noch lange nicht aus”. Nach Ansicht des GOB-Präsidenten fehlt es nicht nur an gelben Sammelstellen für Verpackungsmaterial. Als großes Versäumnis bezeichnet der Umweltaktivist vor allem das bislang fast vollständige Fehlen von braunen Tonnen für organische Abfälle. „Zwischen 40 und 50 Prozent des Hausmülls fallen unter diese Kategorie.” Für ihn ist daher unverständlich, dass es nicht längst eine Kompostieranlage auf der Insel gibt. Dass eine solche zur Zeit in Son Reus entsteht, stimmt ihn hoffnungsvoll. Allerdings „müssen dann endlich auch entsprechende Container aufgestellt werden”.

Gegen einen dritten Verbrennungsofen, der gerade unter der Hand im Gespräch ist, will er sich mit Händen und Füßen wehren. Man solle erst mal abwarten, wie sich die Inbetriebnahme des neuen Recycling-Zentrums auf die Müllentsorgung auswirke, meint die balearischen Öko-Größe.

Die Gemeinde Calvià ist da bereits einen Schritt weiter. Sie verfügt zwar nicht über eine Kompostieranlage, fördert aber die private Entsorgung: „Wer kompostieren will, dem stellen wir kostenlos eine spezielle Tonne zur Vefügung”, heißt es in der Pressestelle der Stadtverwaltung.

Für Hotels und Restaurants hat man in der Westküstengemeinde ein Pilot-Projekt zur Sammlung von organischen Abfällen gestartet. Letztendlich landen aber auch die mustergültig getrennten Hühnchen- und Fischreste in der Anlage Son Reus. Bleibt nur die Hoffnung, dass die Kompostieranlage bald Wirklichkeit wird.

Große Erwartungen setzen die Müllstrategen in die Zukunft. An 45 Schulen werden derzeit die beiden Pfeiler des künftigen Abfallmanagements angepriesen: Reduzierung und Wiederverwertung. Die Leiterin des Programmes, Cati Pons, setzt dabei auch auf den Multiplikations-Effekt: „Was die Kinder hier lernen, werden sie zu Hause an ihre Familienmitglieder weitergeben.” Insgesamt 60.000 Menschen, so verspricht sich Pons, werde man mit diesem Projekt ansprechen.

Indirekte Schützenhilfe bekommt Umweltdezernent Borràs von Mallorca-Boykottierern. Wegen der zurückgegangenen Touristenzahlen „ist in den ersten sechs Monaten 2002 das Abfallaufkommen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1'3 Prozent zurückgegangen”.

Unklar bleibt allerdings, wer gewissenhafter mit dem verursachten Müll umgeht, der Einwohner oder der Tourist. An den Plakaten wird derzeit jedenfalls nur auf Malloquín zum Recyceln aufgerufen.