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Erst war er der Bruder vom Gerd, jetzt ist er der Bruder vom Kanzler. Gestatten, Vosseler, Lothar Vosseler. Der Halbbruder von Regierungschef Gerhard Schröder kommt nach Mallorca. Nicht zu Besuch, sondern um zu arbeiten. Ab März fährt der 54-Jährige zur See. Nicht so richtig, sondern auf dem Zubringerboot für das U-Boot „Nemo”, das von Magaluf aus die Touristen zur Tauchfahrt vor der Küste von Calvià bringt. Aber der Reihe nach. Vosseler ist nicht nur Kanzlerbruder, sondern einer von knapp vier Millionen Deutschen ohne Arbeit. Während Gerhard ins Kanzleramt einzog ging's für Lothar beruflich eher bergab. Erst verlor er seinen Job in einem Rechenzentrum, dann bekam er auch bei „Kanal Müller” die Papiere – betriebsbedingte Kündigung für den Kurzzeit-Kanalarbeiter. Seit Juni sitzt Vosseler wieder im heimischen Detmold in Ostwestfalen bei Frau Gisela und schreibt Bewerbungen. Schwierig, was zu finden, sagt er. Kisten verladen und Möbel schleppen geht nicht mehr, „schwer vermittelbar” heißt das im Arbeitsamts-Deutsch.

Beim prominenten Bruder nachfragen, das kommt für Vosseler nicht in Frage. „Dass der Gerd mir hilft, das will ich nicht”, sagt Vosseler. „Einen Job kriegen, nur weil er Kanzler ist, das kommt nicht in Frage.” Die Kollegen würden das merken, sagt er, und das wäre ihm unangenehm.

Sicher, ein bisschen vom Glanz des Bruders stahlt auch auf ihn. Der Hessische Rundfunk hat einen Film über die Familie Schröder gedreht, die 88-jährige Mutter Erika und ihre vier Kinder. „Am Mittwoch muss ich zum WDR”, sagt Vosseler. Auch bei den Kölnern ist ein Film in Arbeit. In der Domstadt hat überhaupt alles angefangen. Das Boulevardblatt „Express” kam als erstes auf den Kanzlerbruder. Daraus ist eine wöchentliche Kolumne geworden, in der Vosseler mit lockerer Feder dem großen Bruder seine Sicht der Dinge nahebringt. Kostprobe: „Gerd, werde ich ihm sagen, versprich ihnen nicht wie der Kohl blühende Landschaften, das nehmen die dir übel.”

Auch in die Türkei hat man ihn eingeladen, Ehrenbotschafter von Ürgüp ist er, einem verlorenen Nest in Kappadokien. „Aber sehr schön ist es da.” Einen Orden hat er bekommen, auch eine Havanna-Zigarre, wie sie der Kanzler so gern raucht.

In Detmold, da ist Vosseler natürlich bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Seit 33 Jahren ist er mit Gattin Gisela verheiratet, seither lebt er dort. So kam letztlich auch der Kontakt zu Mallorca zustanden. „Die Frau vom Eigner, der aus der Region stammt, hat ein Interview mit mir in der Zeitung gelesen. Sie hat's ihrem Mann erzählt, er hat mich angerufen.” Dann ging alles schnell. Ende Oktober reisten Gisela und Lothar Vosseler auf die Insel. „Zum ersten Mal, auch in Spanien waren wir noch nie.” Prima hat's den beiden gefallen, sagt er. „Das ist ja wirklich wunderschön.”

Drei Monate lang, so kam man überein, soll Vosseler ab März im Nemo-Team arbeiten, sich auf dem Zubringerboot ab Magaluf um die Betreuung der Kunden kümmern. „Dann wird man sehen, ob wir miteinander auskommen und ob was Längerfristiges daraus wird.” Frau Gisela bleibt allerdings an Land. „Sie hat Angst auf dem Boot.” Für ihn sind schwankende Planken kein Problem: „Den Wehrdienst hab' ich als Flusspionier absolviert. Ich habe sogar einen Bootsführerschein.”

Und Bruder Gerd? „Der findet es gut”, sagt Lothar Vosseler, „und ich hab' ihn natürlich nach Mallorca eingeladen.” Kanzler hin, Kanzler her, das Verhältnis sei gut. „Wir sind eigentlich immer bestens miteinander ausgekommen.” Sicher, seit der Bruder Regierungschef ist, da sieht man sich selten. „Aber wir telefonieren regelmäßig, am Wochenende, wenn er in Hannover ist.” In die politische Zukunft sieht Lothar Vosseler im übrigen gelassen. Leseprobe aus seiner Kolumne: „Ich glaube, wir bleiben noch 'ne ganze Weile Kanzler.”