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Mallorca leckt seine Wunden. Knapp einen Monat nach dem Supersturm vom November ist das ganze Ausmaß der ökologischen und ökonomischen Katastrophe immer noch nicht gänzlich erfasst. Schadensbegrenzung, Schadensmeldung und Schadensbeseitigung gehören zu den Worten, die in den vergangenen Wochen häufiger gebraucht wurden als in vielen Jahren zuvor.

Behörden, Versicherungen, Firmen, Privatleute haben die Ärmel hochgekrempelt, um die dringendsten Aufgaben im Wettlauf mit der Zeit zu erledigen: Spätestens im Mai, wenn die Urlaubssaison in die heiße Phase geht, sollen Strände, Boulevards, Geschäfte und Häfen aussehen, als wäre nichts geschehen. Und im arg gebeutelten Wald schuften Sonderbrigaden, um die Gefahr von Waldbränden und Plagen zu minimieren.

Die Natur gehört zu den größten Leidtragenden der ganzen Misere. In wenigen Tagen rissen die Windböen 179.000 Waldbäume nieder. Die wachsen wieder nach – in 30 oder 40 Jahren. Die Balearegierung setzt auf die Regenerierungskräfte der Natur: Behutsam soll das Thema Aufforstung angegangen werden, heißt es aus dem Umweltministerium.

In einer anderen Frage hat die Provinzregierung keine Kompetenz: Was mit den verwüsteten Stränden passieren soll, entscheidet Madrid. Während das spanische Umweltministerium bereits angekündigt hat, die abgetragene Sandmenge an den Stränden (teilweise bis zu 95 Prozent) künstlich aufschütten lassen zu wollen, wehrt sich die Balearenregierung mit Rückendeckung der Naturschutzverbände gegen voreiliges Handeln.

„Es gibt einige Strände, die erholen sich bereits von selbst”, sagt Onofre Rullan, der im balearischen Umweltministerium für die Küsten zuständige Staatssekretär. Der ökologische Schaden, den der Sturm angerichtet habe, sei sicher nicht so groß wie der ökonomische Schaden. Verwüstet worden seien vor allem die Strände, die „zu einem hohen Grad künstlich waren”. Seine Behörde habe in Madrid die Einrichtung einer Kommission beantragt, die im Einzelfalll über die Regenerierung der Strände beraten soll. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Zentralregierung letztendlich Maßnahmen gegen den Willen der Balearenregierung durchdrücken werde.

Eine recht genaue Schadensbilanz kann das balearische Landwirtschaftsministerium abgeben: Unter anderem seien dem Sturm rund 150.000 landwirtschaftlich genutzte Bäume wie Oliven- und Mandelbäume zum Opfer gefallen. Das hört sich auf den ersten Blick nach einer enormen Summe an – stellt im Vergleich zum Gesamtbestand jedoch nur einen kleinen Prozentsatz dar (so soll es zum Beispiel rund sechs Millionen Mandelbäume auf den Inseln geben).

Außerdem wurde die Infrastruktur der Bauern stark geschädigt: Etwa 70 Prozent der Plastikfolien an den Gewächshäusern sind kaputt. In der „Pla”, Mallorcas Hauptanbaugebiet für Oliven, ging 40 Prozent der Ernte verloren. Die Gemüseproduktion wurde zur Hälfte zerstört. Außerdem verloren zehn Profi-Fischer ihre Boote. Nach groben Schätzungen des Landwirtschaftsministeriums beläuft sich der Schaden der Branche insgesamt auf zwei Milliarden Pesetas (23'5 Millionen Mark).

Wie alle im Sturm Geschädigten haben die Landwirte noch bis 20. Dezember Zeit, ihre Schäden der Balearenregierung zu melden, die einen Hilfstopf mit 7'9 Milliarden Pesetas (93 Millionen Mark) für die dringendsten Fälle eingerichtet hat. 672 Anträge auf finanzielle Hilfe sind dort bis Mittwoch eingegangen. Informationen über die gemeldete Schadenshöhe wurden bislang nicht bekannt gegeben. Geld sollen vor allem die Privatleute und Firmen bekommen, deren Schäden nicht durch die Versicherungen abgedeckt sind.

Privatleute und Firmen sollen aus diesem Topf maximal zwei Millionen Pesetas oder maximal 40 Prozent ihres Schadens ersetzt bekommen. Für jeden gefallenen Baum soll es 1500 bis 2000 Pesetas geben. Hoteliers bekommen maximal eine Million Pesetas. Besitzer von Luxuschalets sollen nichts bekommen.

Um mehr Hilfen zu erhalten, erhoffen sich die Gemeinden auf Mallorca, dass die am schlimmsten betroffenen Gebiete zum Katastrophengebiet erklärt werden. Alleine die Llevant-Orte im Osten Mallorcas beziffern den Schaden an den gemeindeeigenen Einrichtungen auf insgesamt 500 Millionen Pesetas (5'9 Millionen Mark).

Vom Katastrophenfall geht bereits jetzt das Konsortium der spanischen Versicherungsgesellschaften auf den Balearen aus. In den Gemeinden, in denen der Sturm ungewöhnlich heftig gewesen sei, werde die Genossenschaft den Großteil der Schäden übernehmen, sagte deren Präsident Gabriel Abraham. Auf Mallorca sei dies der Fall für die Gemeinden Pollença, Alcúdia, Sa Pobla, Muro, Santa Margalida, Artà, Capdepera, Mancor, Escorca, Campanet, Selva, Lloseta, Inca, Búger, Llubí, Maria de la Salut, Ariany, Petra, Manacor, Sant Llorenç, Son Servera, Costitx, Lloret, Montuïri, Porreres, Sant Joan, Sineu und Vilafranca. In den anderen springen wie üblich die Versicherungen ein.

Weil das Konsortium in der Regel eine relativ knappe Frist setzt zur Schadensmeldung, sollten die Geschädigten in diesen Gebieten möglichst schnell reagieren, empfiehlt Versicherungsmakler Gerhard Jülich (Mapfre). Von Bedeutung könne dies etwa für den deutschen Zweitresidenten sein, der noch keine Gelegenheit hatte, sein Haus nach dem Sturm in Augenschein zu nehmen. Um am Ende nicht leer auszugehen, sollten auch sie sich verdachtshalber mit ihren Versicherung in Verbindungen setzen, um voraussichtliche Schäden zu melden.

In jedem Fall wird sich der Privatmann zur Schadensmeldung an seine Versicherungsgesellschaft wenden. Die entscheidet, ob sie den Fall selbst übernimmt oder ans Konsortium weiterleitet. „Wir raten, dass man wirklich alle Schäden bis zum umgeknickten Grashalm auflistet”, so Jülich. Im Gegensatz zu deutschen Versicherungen, die nicht ordentlich auf den Balearen zugelassen sind, kommen die spanischen Versicherungen auch für Schäden im Katastrophenfall, bei Überschwemmungen und Regenschäden auf.