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Der international renommierte Künstler Miquel Barceló soll in den nächsten Monaten zwei Projekte in der Kathedrale von Palma realisieren: 22 der mittelalterlichen Wasserspeier an der Außenfassade müssen ersetzt werden; in der Seitenkapelle des Heiligen Petrus sollen neue Glasfenster eingesetzt werden; für die gleiche Kapelle ist auch ein großes Gemälde des Künstlers geplant. Thema: die wundersame Vermehrung von Brot und Fisch.

Die Kapelle, so erklärte der Künstler der Presse gegenüber, soll sozusagen eine zweite Haut bekommen, in die dann die Fenster – sie werden mehr als zwölf Meter hoch sein – eingesetzt werden. So spielt der Künstler mit Tageslicht und Farbe. Die Kosten veranschlagte der Vizepräsident des Domkapitels, Juan Darder, auf 900 Millionen Pesetas (10'6 Millionen Mark). Zuvor war in der Presse von einem doppelt so hohen Betrag die Rede gewesen. Barceló betonte, der genannte Betrag sei nicht etwa sein Honorar.

ARCA, der Verband zur Wiederherstellung des historischen Stadtkerns von Palma, hat sich teilweise gegen diese Pläne gewandt. Es sei grundsätzlich zu begrüßen, dass zeitgenössische Künstler ihre Arbeiten in das Gesamtgefüge der Kathedrale einbringen. ARCA zählte in diesem Zusammenhang Künstler auf, die in der Vergangenheit die Kathedrale mit ihren Werken bestückt haben. Von Pere Morey und Guillem Sagrera im 15. und 16. Jahrhundert über Francisco Herrera im 18. Jahrhundert bis zu Antoni Gaudí in der Neuzeit. Wogegen sich ARCA vehement wendet, ist die Tatsache, dass vorhandene Kunstwerke entfernt werden sollen, um Platz zu schaffen für das, was Miquel Barceló hier plant.

Die Kapelle des Heiligen Petrus, im 14. Jahrhundert erbaut, hatte ursprünglich einen barocken Altaraufsatz, den ein Feuer zerstörte. Er wurde später durch ein neoklassizistisches Bild aus dem 19. Jahrhundert ersetzt. Aus der selben Zeit stammt ein Gemälde von Salvator Torres. ARCA befürchtet, dass die Kathedrale zu sehr von einem einzigen Künstler geprägt sein könnte, wenn alle drei Barceló-Projekte zum Tragen kämen.

Joan Bestard, Generalvikar der Diözese, beruhigt die Gemüter: „Anfang Oktober wird Miquel Barceló seine Entwürfe vorlegen. Mehrere Gremien werden die künftigen Arbeiten begutachten und dann die entsprechenden Beschlüsse fassen: das Amt für Denkmalschutz, die Universität der Balearen und das Domkapitel. Es wird also keine einsamen Entschlüsse geben. Und wir alle sind mit ARCA einig: Die Kathedrale ist und bleibt das Wahrzeichen Mallorcas.”

Einig sind sich alle Beteiligten auch in der Bewertung von Miquel Barceló als hervorragendem Künstler. „Es wäre unverzeihlich, wenn wir die Chance verspielen würden, einen Künstler wie Barceló für die Kathedrale zu gewinnen”, sagt Bestard. Barceló sei kein gläubiger Christ. „Aber er ist respektvoll. Ich habe eine religiöse Arbeit von ihm gesehen, die mich sehr beeindruckt hat: Christus in Form eines fast abstrakt wirkenden Baumes mit breiten Ästen. Außerdem ist Barceló Mallorquiner. Die Universität selbst hat den Vorschlag gemacht, ihn zu verpflichten.”

Noch kann Joan Bestard nicht sagen, was mit dem vorhandenen Altarbild geschehen soll. „Wir könnten uns aber vorstellen, dass es entweder in eines der hiesigen Museen kommt oder in eine Pfarrgemeinde, deren Kirche über wenig sakrale Kunst verfügt.” Im Übrigen ist Bestard davon überzeugt, dass das Altarbild keinen großen kunsthistorischen Wert hat.

„In der Messe am Sonntag um 10.30 Uhr haben wir immer mindestens 2000 Besucher. Das bringt für uns auch die Verpflichtung, mit der Zeit zu gehen.” Dazu ARCA: „Die Kathedrale ist ein gewachsenes Gesamtkunstwerk, aus dem nichts entfernt werden sollte.”

Es ist nicht das erste Mal, dass Neuerungen in dem Gotteshaus zu kontroversen Diskussionen führen. Im Jahr 1904 beschloss das Domkapitel, den in spanischen Kirchen üblichen „coro”, eine Art Kirche in der Kirche und ausschließlich Priestern oder dem Domkapitel vorbehalten, zu entfernen. Mit der Umgestaltung wurde der katalanische Architekt Antonio Gaudí beauftragt, der mit der Beseitigung des „coro” und der Einbeziehung der Königskapelle (Capilla Real) in den Chor dem Raumgefüge die Wirkung verschaffte, die es heute ausstrahlt.

Über dem Hauptaltar schwebt eine wundersam durchbrochene Tiara, die an einen Schiffsbug mit Galionsfigur erinnert, ein fröhliches Mobile strahlender Geistigkeit. Im Chor dahinter ein nicht minder strahlender Leuchter. Seiner Zeit wurde diese „Neuerung” mehr als angefeindet. Befürworter und Gegner konnten sich nicht einigen. 1999 erhielt Gaudís Konzept eine neue Beleuchtung. Erst seitdem sind die Gegner verstummt.