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Die ältere Dame schaut erstmal nur zu. Dann tritt sie an den Tisch heran und fragt höflich. Sie würde gerne, dass Boris Becker ihr ein Autogramm auf das Programmheft des „Mallorca Grand Champions” gibt. Becker plaudert gerade mit seinem Kollegen Juan Aguilera und schiebt das Heft barsch weg. „Jetzt nicht!” raunzt er unfreundlich. Falls die Dame Boris-Fan war, wird sie jetzt wohl weniger Sympathien für den Tennis-Star hegen. Wie viele Sportfreunde, die am letzten Wochenende das Senioren-Tennis-Turnier von Santa Ponça besuchten.

Der Event war voll und ganz auf Becker ausgerichtet. Alle wollten vor allem ihn spielen sehen. Am Freitag fiel sein Match gegen Aguilera aus, Samstag kam es dann zum erhofften Auftritt. Becker gegen den Schweizer Jakob Hlasek. Der Deutsche wirkte schwach und unkonzentriert. Nach rund 20 Minuten, den ersten Satz hatte er mit 2:6 verloren, verschwand Becker. Allgemeines Rätselraten. Der Schweizer spielte mit zwei Balljungen.

Becker kam nicht wieder. Er hing auf der Toilette des Santa Ponsa Country Clubs und musste sich übergeben. Vor der Tür besorgte Mienen beim Becker-Tross. Ca. eine halbe Stunde später wurde der Star von der Anlage geführt. Turnierarzt Andreas Overbeck attestierte eine Durchfall-Erkrankung. „Nach einem solchen Flüssigkeitsverlust auf dem Platz Leistung zu bringen, ist unmöglich.” Und so blieb Becker nichts anderes übrig, als auch für den Sonntag abzusagen. Große Enttäuschung bei den Tennis-Fans, Organisator Frank Lichte halbierte den Tickt-Preis, mancher erhielt Geld zurück.

Am Sonntag verteidigte Lichte seinen Star: „Boris Becker ist krank”, betonte er, musste aber hinzufügen: „Das Problem ist, dass ihm das im Moment niemand glaubt.” Denn der einstige Wimbledon-Held hatte bereits Verletzungsprobleme beim Comeback in Graz, ein geplantes Match gegen John McEnroe abgesagt und war wegen der Attentate in Amerika bei einem Showkampf in Verona nicht angetreten.

Als sich herumsprach, dass Becker am Samstagabend an der Geburtstagsparty von Turnier-Sponsor Lutz Minkner teilgenommen hat, obwohl es ihm schlecht ging, zweifelte mancher an den Gesundheitsproblemen. Frank Lichte: „Er war nur dabei, weil ich ihn darum gebeten habe. Er hat nichts gegessen und nur Cola getrunken. Manche Leute denken, Boris ist hier, um Party zu machen und nicht, um zu spielen. Das stimmt nicht.”

Der Ärger war Höhepunkt und Abschluss einer Reihe von Vorkommnissen, die Becker Sympathien gekostet haben. So wollte er eigentlich schon am vorletzten Samstag nach Mallorca kommen, um sich intensiv auf das Turnier vorzubereiten. Er kam aber erst am Mittwoch, am Montag waren in der „Bild”-Zeitung Fotos zu sehen, die ihn in fröhlicher Runde beim Feiern auf dem Münchner Oktoberfest zeigten.

In Santa Ponça erlebten die Fans den Star als unnahbar und genervt. Zum Beispiel, als ein kleines Mädchen sich mit ihm fotografieren ließ. Oder sie erlebten ihn halt gar nicht, wie Wirt York Romberg („People's” in Port d'Andratx), der ein VIP-Ticket für Sonntag hatte. „Das hat mich 400 Mark gekostet. Und nun so was.” Andere beklagten: „Boris hätte sich wenigstens ein paar Worte zur Erklärung sagen können.” Bei der Pressekonferenz vor dem Turnier ließ Becker Mitspieler und Journalisten rund eine Stunde warten. Als ein spanischer Journalist Beckers Haus bei Artà erwähnt, entgegnet er: „Wollen wir hier über Tennis sprechen oder über mein Haus?” Von Pressevertretern fotografieren ließ er sich nur widerwillig. Obwohl der Tennis-Star wissen müsste, was erwartet wird, wenn man sich für einen öffentlichen Auftritt bezahlen lässt. Einer aus dem Umfeld der Organisatoren fand folgende Worte: „Sicher, Boris war krank. Aber er hat nie eine Erziehung genossen, dazu wohl auch keine Zeit gehabt. Außerdem hat er zwar viele Leute um sich, das sind aber alles Stiefellecker. Es gibt niemanden, der ihn wirklich berät, wie man sich in der Öffentlichkeit verhält.”

Im Becker-Clan weiß man, dass der Mallorca-Auftritt nicht gelungen war. Es ist aber zu hören, dass Boris tatsächlich darauf brennt, wieder Tennis zu spielen. Ein Freund des Tennis-Stars: „Boris war total angefressen, dass es nach den Absagen der letzten Wochen wieder nicht geklappt hat. Und dass er unfreundlich und arrogant rüberkam, kann wohl jeder nachvollziehen, der mal am eigenen Leibe erlebt hat, wie es einem bei einer solchen Magen-Darm-Geschichte geht.