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Tiefe Sorgenfalten zeichnen die Gesichter der Manager der Tourismus-Branche. Nicht nur in den USA, wo einige Fluggesellschaften wegen der Milliardenverluste vor dem wirtschaftlichen Aus stehen, sondern auch in Europa. „Vor allem das Geschäft in islamische Urlaubsländer bricht ein”, so ein Insider gegenüber MM, der sich mit dieser Aussage nicht zitieren lassen will. Schließlich gilt es „abzuwarten und Ruhe zu bewahren”, so der Tenor in der deutschen Branche; es sei noch zu früh, die Auswirkungen der Anschläge in den USA auf den Mallorca-Tourismus festzustellen. Gonzalo Pascual, unter anderem Chef der Fluggesellschaft Spanair, hat gegenüber der Zeitung „Diario de Mallorca” bereits von einem Rückgang von zehn Prozent im deutschen und einem Einbruch von 90 Prozent im italienischen Markt gesprochen.

Der spanische Verband für Ferienhotels Zontur geht von Buchungsrückgängen in Höhe von 25 Prozent allein im Oktober aus. Allerdings würde davon Mallorca kaum betroffen sein. Das bestätigt Mario Köpers, Sprecher des Reiseriesen TUI. „Im westlichen Mittelmeer gibt es keine messbaren Veränderungen”. LTU-Sprecher Marco Dadomo: „Die Stornos halten sich in Grenzen, und spanischen Ziele sind kaum betroffen.” Bei der Aero Lloyd berichtet Asger Schubert von „einigen No-shows”, das heißt Passagiere treten gebuchte Flüge „wahrscheinlich wegen Flugangst” nicht an. Bei Hapag-Lloyd hat Sprecher Wolfgang Hubert „hier und da” dieses Phänomen beobachtet, von dem auch Mallorca betroffen sei.

Bei der TUI, dem größten Reisekonzern der Welt, gibt es viele Stornierungen, die in erster Linie islamischen Länder betreffen, allen voran Ägypten. Immerhin 1000 Stornos sind bei Rewe-ITS-LTT eingegangen. Stornierungen sind dabei für den Kunden nicht billig. Nach den Reisebedingungen beispielsweise der ITS betragen die pauschalierten Rücktrittskosten pro Person zwischen 15 Prozent des Reisepreises bis zum 30. Tag vor Reisebeginn und 75 Prozent bei Nichterscheinen oder Stornierung nach Reisebeginn. Kostenlose Stornierungen oder Umbuchungen bieten Touristikunternehmen nur für Reisen in die USA.

„Wir halten uns da an die Reiseempfehlungen des Auswärtigen Amtes”, erklärt Mario Köpers von der TUI, „eine andere Messlatte gibt es nicht”. So müssen sich besorgte Urlauber überlegen, wie viel ihnen die Angst wert ist. Nur „wer für kleines Geld von der Reise zurücktreten konnte”, hat das laut Anette Forré mitunter auch getan. Köpers weist darauf hin, dass bei Stornierungen in Belgien und den Niederlanden der volle Preis gezahlt werden muss, „da treten Menschen deutlich seltener von einer Reise zurück”.

Während sich die Stornierungen, vor allem nach Mallorca, also noch in Grenzen halten, bereitet das Buchungsverhalten der Bundesbürger den Reiseunternehmen schon mehr Kopfzerbrechen. „Es ist klar, dass nach so einem Ereignis die Leute nicht in Scharen ins Reisebüro gehen, um Reisen und Flüge zu buchen”, so Markus Rüdiger, Sprecher von Thomas Cook (Neckermann, Condor). „Der Urlauber wartet ab, reagiert unglaublich sensibel und emotional”, meint Mario Köpers von der TUI. Rewe-ITS-LTT konstatiert laut Anette Forré ebenfalls „verhaltene Buchungseingänge”.

So lange sich die politische Großwetterlage nicht ändert, könnte das auch noch eine Weile so bleiben. „Unruhe ist immer übel”, formuliert Forré. Die Kunden zeigen sich bei „Neubuchungen sehr zurückhaltend”, konstatiert Marco Dadomo für die LTU, während Air-Berlin-Sprecher Peter Hauptvogel noch keine Probleme sieht: „September und Oktober sind ohnehin fast ausgebucht, ebenso die Flüge zu Weihnachten und Neujahr.”

Doch Hauptvogel weiß, dass ein langanhaltender Konflikt „Leute vom Reisen abhalten” würde, obwohl die Regionen, die seine Airline anfliegt, „durchweg unkritisch sind”. Da zurzeit Reisen für die Wintersaison verkauft werden, ist Mallorca von der Buchungsschwäche nicht betroffen. Da Sonnenhungrige auch nicht von Ägypten auf die Balearen ausweichen dürften, ist auch von „Krisenprofit” zunächst nicht die Rede. Das könnte sich allerdings ändern, wenn der Alptraum der Reisebranche einträte und der Konflikt mehrere Monate dauert: „Alle machen sich Sorgen, wie es dann weitergeht”, so Asger Schubert von Aero Lloyd, „aber vor allem dürfte es dann Ziele wie die Türkei, Ägypten und Tunesien stärker treffen. Mallorca wäre weniger betroffen”.

Das bestätigt Martin Brackenbury, Präsident des Internationalen Verbandes der Reiseveranstalter, IFTO, der am Dienstag eine Audienz beim balearischen Ministerpräsidenten Francesc Antich hatte: „Die Balearen könnten von Konflikten im östlichen Mittelmeer profitieren”. Das zeigt die Erfahrung beispielsweise vom Terroranschlag im ägyptischen Luxor, bei dem deutsche Urlauber erschossen wurden, beim Krieg in Jugoslawien, der Öçalan-Krise und dem schweren Erdbeben in der Türkei, als Millionen von Touristen Ziele in Spanien vorzogen und Mallorca 1999 ein historisches Rekordergebnis bescherten.

Als 1991 der Golfkrieg ausbrach, gingen jedoch auch auf den Balearen die Buchungszahlen erst einmal zurück. MM hat am 20. Januar 1991 berichtet, dass die deutschen Reiseveranstalter TUI und Neckermann „null” Buchungen hereinbekamen. Schon am 27. Januar titelte MM jedoch: „Mallorca profitiert vom Krieg am Golf”, wegen des Ausfalls der Ziele am östlichen Mittelmeer wurde ein Boom erwartet.

Doch in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn sah es anders aus: „Buchungsflaute. Bleiben Ostern viele Betten leer?” (3. Februar). Schon damals erinnerten alle Prognosen Neckermann-Chefreiseleiter Harald Oberkirch an Kaffeesatz-Leserei: „Wie der Kriegsverlauf kann sich auch die Einstellung zum Urlaub jeden Tag ändern. Wir können nichts anderes tun als die Urlauber: abwarten.”

Während sich deutsche Reiseveranstalter im Hinblick auf die Nachkriegszeit einen Kampf um mallorquinische Bettenkontingente lieferten, gingen die Besucherzahlen leicht zurück. Anders nach Beendigung der Kampfhandlungen. MM titelte am 3. März: „Warten auf den Boom”. Der dann freilich nicht kam. Am Ende des Jahres verzeichneten die Statistiker mit 11'86 Millionen Passagieren am Flughafen Palma lediglich ein leichtes Plus gegenüber 1990, auch 1992 ging die Zahl nur leicht auf 11'96 Millionen nach oben.

Zu leiden hatten in jedem Fall die Hoteliers, weil in jenem Jahr allein 40.000 neue Hotelbetten auf den Markt kamen. So war das Jahr des Golfkrieges unter dem Strich eine Krise für die mallorquinischen Herbergsväter, weil die hohen Wachstumserwartungen nicht erfüllt wurden.