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Im Vergleich zu Ibiza und Sitges steckt Mallorca noch in den Kinderschuhen – zumindest, was den Tourismus für eine ganz bestimmte Klientel anbelangt: die Gays. Während die einstige Hippie-Hochburg Ibiza seit Jahrzehnten das Image einer weltoffenen, kosmopoliten Insel trägt, hat sich Mallorca bislang hartnäckig den Ruf der gewichtigeren, aber auch ziemlich konservativen Schwester bewahrt.

,,Mallorca ist nicht das Ziel für Gays schlechthin. Aber es hat im Vergleich zu Ibiza auch Vorteile. Vor allem für Menschen ab 30, die neben Nightlife auch Ruhe, Strand und Kultur suchen”, sagt Carlos de Cires Aráoz, der seit Oktober innerhalb der Reiseagentur Grupo Nueva Europa Travel Club eine Abteilung speziell für homosexuelle Kunden eingerichtet hat. Der ,,Gay-friendly Club de Viajes” richtet sich zum einen an Mallorquiner, die Urlaub außerhalb der Insel machen wollen, zum anderen will die Agentur die Destination Mallorca besser präsentieren, zum Beispiel durch einen neuen Gay-Stadtplan.

Bislang liegt in Palmas Touristeninformationsbüros ein Plan des Schwulenund Lesbenvereins ,,Ben Amics” aus. Das wenig professionell gestaltete Faltblatt geht weg wie warme Semmeln. Künftig soll in Zusammenarbeit mit den Behörden ein richtiger Stadtplan mit allgemeinen touristischen Infos und den Treffpunkten der Homosexuellen und Lesben erarbeitet werden.

Die Tourismus- und die Werbebranche nehmen diese Zielgruppe durchaus ernst. Auf den Balearen wird der Anteil der Homosexuellen an der Gesamtbevölkerung auf fünf bis sieben Prozent geschätzt. Laut einer Studie der Organisation ,,Arcoiris Consultes” in Spanien liegt ihre Kaufkraft um etwa 30 Prozent über dem Durchschnitt. Was leicht zu erklären ist: Die landesweit geschätzten 600.000 Schwulenpaare gehören zur Kategorie DINK (double income no kids) und damit zu den konsumfreudigsten Zeitgenossen.

Gays sollen demnach nicht nur für neue Produkte aufgeschlossen sein und relativ viel Geld für Mode, Kultur, Freizeit, Dekoration und Autos ausgeben, sie reisen auch gerne und (mit drei bis vier Mal pro Jahr) relativ viel.

Carlos de Cires sieht Bedarf an speziellen Reisebüros und touristischer Infrastruktur: ,,Genauso wie etwa ein Skifahrer sich gerne von jemandem beraten lässt, der etwas vom Skifahren versteht, sprechen homosexuelle Männer und Frauen lieber mit einem Gleichgesinnten, wenn es um Unterkünfte und die Gepflogenheiten in anderen Ländern geht. Bei uns schaut zum Beispiel keiner dumm, wenn zwei Männer ein Hotelzimmer mit einem Doppelbett buchen wollen.” Das Angebot an Lokalen und Hotels für diese Zielgruppe sei in Palma ausbaufähig, meint der Leiter von Gay-friendly. Zum Beispiel fehle es an einer Herberge mit Strand. In Palma haben Gays die Wahl zwischen zwei, drei Hotels, die sich auf Schwule spezialisiert haben. Dort könne sie sicher sein, respektiert zu werden, während ein verliebtes Männerpaar in einem Familienhotel eher immer noch Aufsehen erregt.

Neben der Vermittlung von Hotels und der Gestaltung von Gruppen-Programmen – zum Beispiel für Radfahrer – bietet sich Gay-friendly Mallorca-Besuchern als Infobörse an. Die wollen zum Beispiel wissen, wie die medizinische Versorgung für Aids-Patienten aussieht. ,,Leider sind viele Homosexuelle betroffen.” In diesen Fragen arbeitet die Reiseagentur mit dem Aids-Hilfe-Verein Alas (Asociación de Lucha Anti-Sida de Mallorca) zusammen.

Mallorquinische Homosexuelle richten sich an Gay-friendly, um sich im Vorfeld ihrer Auslandsreise über die Akzeptanz von Schwulen im jeweiligen Land zu informieren. Was Gay-friendly ausdrücklich nicht anbietet, ist die Vermittlung von Sexualpartnern. Zur Kundschaft gehören mehr Männer als Frauen. Carlos de Cires erklärt das damit, dass lesbische Paare weniger auffallen als Männerpaare. Über Frauen, die Hand in Hand laufen, oder sich ein Hotelzimmer teilen, macht sich kaum einer Gedanken. ,,Sie sind praktisch unsichtbar.”