Es ist jedes Jahr das gleiche Spiel: Zu Beginn der Reisesaison
tauchen auf den Reiseseiten der Tageszeitungen die ersten
Ankündigungen von Hiobsbotschaften auf.
Wird es in Italien doch wieder zu einer Algenplage kommen? Wie
geht es den Robben in der Nordsee, den Delphinen im Mittelmeer?
Geht Venedig in diesem Jahr endgültig angesichts der übergroßen
Besucheransturms unter? Bekommt man für die wichtigen Ausstellungen
in Madrid oder New York überhaupt Eintrittskarten? Sind die Preise
in den kleinen, intimen Bistros von Paris durch die vielen Fremden
nicht wirklich überhöht? Was macht der Smog von Athen und die
Wasserverschmutzung rings um die schönen Kykladen?
Aber der Mensch will nicht nur gewarnt, sondern auch erzogen
sein. Dies – so scheint – haben die Reiseredakteure vornehmlich im
Auge. Sie haben sich vor Ort selbst davon überzeugt, wie gefährlich
Reisen für die Natur und die Menschen ist.
Sie wissen, dass die Alpen durch die Wanderer täglich in Gefahr
gebracht werden, besonders seit es Mountain–Biking gibt, das sie
selbstverständlich ausprobiert haben. Sie kennen die Gefahren des
Trekking im Himalaya nicht nur für die erosionsbedrohte Bergwelt,
sondern auch für die dort lebenden Menschen, die Tag für Tag mit
Zivilisationsmüll konfrontiert werden. Ebenso wie auf den meisten,
inzwischen eifrig bereisten Südsee– und Karibikinseln.
Sie wissen, dass man sich in Zentralafrika die Cholera und – bei
intimen Kontakten mit der einheimischen Bevölkerung –
möglicherweise auch Schlimmeres holen kann.
Sie wettern natürlich auch gegen die fortschreitende Bebauung
der Kanarischen Inseln, auf dem spanischen Festland, in Österreichs
Tälern, in den Flussmündungen der Donau.
Kurzum, die beklagen den Verlust, der (natürlich immer letzten)
Paradiese. Und sie wissen auch, wer schuld ist: der Tourist als
solcher. Reiste er nicht, gäbe es keine beklagenswerten
Zustände.
Zum Ende der Saison gibt es dann die alljährlichen Klagen von
Umsatzrückgang im Tourismus, von Krise, von mangelnder Rendite, von
zu geringer Auslastung und von wirtschaftlichen Sorgen in der
Dritten Welt.
Es ist ganz klar: Es kamen einfach zu wenig Touristen.
Wahrscheinlich hatten die alle schon im Frühjahr eine Zeitung
gelesen und sind einfach zu Hause geblieben. Oder woandershin
gereist.
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