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Ab dem Ortseingang von Port d'Andratx ist es ausgeschildert: In schwarzer Schrift auf magentafarbenem Grund steht "Museo Liedtke. Exposición Código Universo".

Der Weg dorthin zieht sich die Landzunge Sa Mola empor. Dort, am Ende einer Sackgasse und mit atemberaubendem Blick über die Hafenbucht, hat Dieter Walter Liedtke inmitten einer riesigen Klippe sein terrassenförmiges Haus mit Museum und Galerie organisch hineingeschlängelt. Nicht zu vergessen den Pool, den die Besucher seiner Einrichtung nutzen können.

Auf der Terrasse empfängt der Herr des Hauses und legt los: "Der Código Universo ist ein grafischer Code, mit dem jedes Kind in erster Linie Kunst entschlüsseln kann. Innerhalb von zwei Minuten schließt sich die Kunst für jeden Menschen auf", kommt Liedtke schnell auf den Punkt.

Seine Führung beginnt vor Wänden mit großformatigen digitalen Prints von bekannten Klassikern aller Epochen, von Da Vincis "Mona Lisa" bis zu Dalís "Zerinnender Zeit". Ein Teil der Bilder ist mit roter transparenter Farbe überzogen, darunter sieht man dasselbe Bild noch einmal, allerdings nur in Gelb und Rot. "Alles was gelb ist, hat es vor dem Künstler schon gegeben, alles was rot ist, hat er neu erfunden", erklärt Liedtke. Bei Dürers Selbstbildnis etwa die Frontalansicht, bei Da Vinci die unscharfen Umrisse, bei Dalí das Zerfließen der Zeit.

"Das Bekannte und das Neue ergibt Kunst", sagt Liedtke. Und es klingt schon selbstbewusst, wenn er ausführt: "1988 habe ich die gesamte Kunstgeschichte entschlüsselt, auch die der Zukunft."

Der Schlüssel ist eine Formel, die er als Gleichung grafisch umgesetzt hat: Ein waagerechter gelber und ein senkrechter roter Streifen fügen sich zu einem zweifarbigen Kreuz zusammen. Dieser Darstellung begegnet der Betrachter immer wieder, an den Schautafeln ebenso wie auf Tassen, T-Shirts und anderen Merchandising-Produkten. Sie ist Liedtkes Código Universo, die Gleichung "Leben + Bewusstsein = Kunst". Sie wendet er auf sämtliche Themen an: auf die Evolution, das Universum, die Physik, einen ethischen Kapitalismus, die Epigenetik. Letztere, erklärt Liedtke, sei ein Forschungszweig der Genetik, der besage, dass man mit Informationen und Visionen Gene ein- und ausschalten und diese neuen Informationen sogar über die Gene vererben könne. Und er fügt hinzu: "Das habe ich alles schon 1988 gesagt, aber damals wurde das noch für unmöglich gehalten."

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Klingt alles spinnert? Renommierte Wissenschaftler finden das nicht. So bezeichnete der international anerkannte Kunsthistoriker, Kurator und Künstler Harald Szeemann Liedtke als ein Kunstwerk, in dem Leonardo da Vinci seinen Nachfolger gefunden habe. Der berühmte deutsche Soziologe Niklas Luhmann schrieb: "Liedtkes Kreativitätsformel, sein Código Universo, ist eine evolutionäre Errungenschaft. Einmal erfunden und eingeführt, ermöglicht sie sich selbst."

Als revolutionär bezeichnete der inzwischen emeritierte Physikprofessor von der TH Köln, Manfred Schrey, das Werk Liedtkes: "Erstmals in der Kunstgeschichte wurden Aussagen, die in Dieter Liedtkes Kunstwerken und Theorien manifestiert wurden, durch Forschungsarbeiten von Wissenschaftlern, dem seine Kunstwerke nicht bekannt waren, Jahrzehnte nach deren Entstehung und Veröffentlichung als Forschungsergebnisse belegt. Für die betreffenden Forscher haben sie zu 15 Nobelpreisen in den Fächern Medizin, Physik sowie Ökonomie geführt."

Wer ist dieses Universalgenie? Ein Selfmademann und Autodidakt, der 1944 als Sohn eines Bergmanns in Essen geboren wurde. Ein Erfinder und Unternehmer, der die Haarschneidemaschine Hairmatic auf den Markt brachte, für die seinerzeit Franz Beckenbauer warb. Ein Autor von sechs Büchern. Ein Visionär und Künstler, der sich Fragen stellt und nach Antworten sucht.

Dann malt er in einer Nacht schon mal 50 Bilder oder mehr, lässt sie erst einmal liegen, und schaut dann nach zwei bis drei Wochen, welche seiner Arbeiten seine Fragen lösen. "Drei bis vier geben tatsächlich eine Antwort, die anderen verbrenne ich", erklärt er sein Vorgehen. Sollte jedoch Forschung und Wissenschaft schon eine Antwort gefunden haben, werfe er auch diese Werke weg. "Mich interessieren nur Dinge, die uns weiterbringen", begründet er dies. "In der Regel habe ich jedoch völlig neue Antworten, die ich dann in Bildserien weiterverfolge."

Unterdessen bereitet Liedtke neue Projekte vor: ein Gebäude für den Weltfrieden der Religionen in Granada und das epigenetische Programm "Aimaim", bei dem sich die Menschen ab kommendem Jahr über Informationen kostenlos updaten und verjüngen können. Ist ihm eigentlich nichts zu groß? Liedtke lacht: "Nee, das ist mein Manko, ich kann nicht klein."

Täglich 9 bis 24 Uhr, ab November 9 bis 19 Uhr; Eintritt frei; Museo Liedtke, Carrer Olivera 35, Sa Mola, Port d‘Andratx

(Aus MM 39/2015)