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In einem katalanischen Provinznest der spanischen Nachbürgerkriegszeit wird der Vogelhändler Dionis Seguí ermordet. Anschließend stößt der Täter Seguís Sohn Culet in einer Kutsche mitsamt Pferd einen Abhang hinunter. Der elfjährige Andreu, die Hauptfigur des Films, findet den zerschmetterten Körper seines Freundes. Er lebt noch und flüstert ihm das Wort "Pitorliua" ins Ohr, danach stirbt er.

Das ist die drastische Einstiegsszene von Pa negre (Schwarzes Brot). Der Film des mallorquinischen Regisseurs Agustí Villaronga gilt als Anwärter auf eine Oscar-Nominierung. Das Filmteam befindet sich zurzeit auf einer Promotion-Tour in den USA.

Für den Filmhelden Andreu beginnt nach dem Mord zunächst eine Zeit voller Angst um seinen Vater Fariol, wie der ermordete Dionis ein Republikaner und ebenfalls Vogelhändler. Fariol wird vom faschistischen Bürgermeister verdächtigt, seinen ehemaligen Weggefährten ermordet zu haben. Er muss flüchten, wird aber gefangen und zum Tode verurteilt.

Derweil findet Andreu nach und nach die Wahrheit über seinen Vater heraus. So war dieser unter anderem an der Kastration des homosexuellen Sohns der reichen Familie Manubens beteiligt. Der mittlerweile verstorbene Junge soll der Dorfsage nach als "Pitorliua" durch den Wald geistern. Andreu erkennt, dass seine zwar arme, aber bislang glückliche Kindheit auf einem Geflecht aus Lügen beruht hat, aufrechterhalten durch seine Eltern.

Dabei verändert er sich vom gutgläubigen, ehrlichen Jungen zum kühlen, berechnenden Sohn, der sogar seine Mutter abweist. Am Ende verrät er all seine Ideale und geht mit der reichen Frau Manubens, die für das Unglück seiner Familie verantwortlich ist, ihm aber eine Ausbildung ermöglichen kann. Seine Cousine, zu der er eine innige und teilweise intime Beziehung pflegte, bezeichnet ihn als Verräter.

Diese Wandlung ist es, auf die Villaronga abzielt, die in dem Film erzählt werden soll. Sie ist auch im Sinne des Autors der Romanvorlage, Emili Teixidor. Er hatte an der filmischen Umsetzung kaum etwas auszusetzen.

Gelegentlich ging ihm allerdings die dargestellte Zuneigung zwischen den Eltern und Kindern zu weit. "Eltern haben damals nie gesagt ,ich hab dich lieb'. Sie sagten ,benimm dich oder ich gebe dir eine Ohrfeige'. Das war ihre Art, Zuneigung zu zeigen", sagt Emili Teixidor im "Making Of" des Films.

Die teilweise schmerzende Authentizität spielt eine große Rolle in dem Film, Villaronga verzichtet daher auch nicht auf schockierende Darstellungen, etwa der Kastration. Für amerikanische Sehgewohnheiten könnte die eine oder andere Szene zu heftig sein, dennoch stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass die katalanische Produktion am 26. Februar den Oscar für den besten ausländischen Film gewinnt. Das haben zumindest die ersten Testläufe im Lincoln Center von New York und beim Festival von Palm Springs ergeben.

Einen großen Anteil an der nordamerikanischen Begeisterung für den aus amerikanischer Sicht exotischen Film haben die beiden Hauptdarsteller Francesc Colomer ("Andreu") und Marina Comas ("Núria"), beide zum Zeitpunkt des Drehs elf und zwölf Jahre alt und beide ohne jegliche Filmerfahrung. Das ist ungewöhnlich, zumal es die tragenden Rollen des Films sind. Regisseur Villaronga kam es vor allem auf die Authentizität an, deswegen castete er an den Schulen im Umland von Vic, in dem der Film spielt.

Bei der Verleihung des Goya im vergangenen Jahr, dem wichtigsten spanischen Filmpreis, bekamen die beiden jeweils den Preis für den besten Nachwuchsschauspieler und die beste Nachwuchsschauspielerin. Insgesamt räumte die katalanische Produktion auf nationaler Ebene neun Goya-Prämien ab.

Nola Navas bekam zudem die Silberne Auster beim Filmfestival von San Sebastián. Sie spielte die Rolle der "Pauleta", deren Mann und Sohn am Anfang des Films dem Mordanschlag zum Opfer fallen und die dadurch zur Verrückten des Dorfes wird. "Wie so viele Verrückte sagt sie aber auch als Einzige die Wahrheit", erklärte Nola Navas in einem Zeitungsinterview.

INFOS: ANWÄRTER FÜR FILMPREIS

12. Januar: Cervantes-Institut New York: Letzte Präsentation in den USA vor dem Rückflug des Filmteams nach Spanien.

22. Januar: Bekanntgabe der Short-List: Die Oscar-Akademie gibt ihre Auswahl von neun aus 63 eingesandten Filme bekannt. Zwei Komitees, eins in New York, eins in Los Angeles, wählen daraus in 48 Stunden die fünf besten aus.

24. Januar: Offizielle Bekanntgabe der fünf Finalfilme.. 26. Februar: Oscar-Verleihung in Hollywood.

Die DVD oder Blu-Ray gibt es beim Online-Versand Amazon ab 27,98 Euro auf Katalanisch, Spanisch und Englisch.