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Entertainer Roberto Blanco spricht im MM-Interview über die lange Karriere, die aktuelle Flüchtlingskrise und den Vorteil seiner Hautfarbe.

Mallorca Magazin: Herr Blanco, Sie sind nach Palma gekommen, um an einem Festkonzert der Gruppe Els Valldemossa im Teatre Principal teilzunehmen. Sie kennen Genia Tobin und Tomeu Estaràs schon lange …

Roberto Blanco: Ja, das ist wahr. Seit Jahrzehnten.

MM: Wissen Sie noch, wann und wo Sie die Gruppe zum ersten Mal getroffen haben?

Blanco: Nein, das kann ich wirklich nicht sagen. Das war vor mehr als 30 Jahren. Wir sind mehrmals zusammen auf Kreuzfahrtschiffen gewesen und haben hier in Palma die großen Zeiten von Tito's Nightclub miterlebt. Mit manchen Kollegen, die man im Laufe der Jahre kennenlernt, hat man später keinen Kontakt mehr, dann gibt es Kollegen, mit denen bleibt der Kontakt immer aufrecht. Dazu gehört Els Valldemossa.

MM: Im kommenden Jahr feiern Sie Ihr 60-jähriges Bühnenjubiläum. Ist die große TV-Show schon geplant?

Blanco: 60 Jahre auf der Bühne - wer kann das schon von sich sagen? Ich freue mich sehr, dass ich noch da bin. Aber wissen Sie, die Zeiten von großen Feiern im Fernsehen sind vorbei. Das Fernsehen hat nicht mehr so viel Geld wie früher. Die großen Shows gibt es nicht mehr, wie zum Beispiel "Wetten, dass ..?".

MM: Planen Sie denn wenigstens ein tolles Gala-Konzert mit vielen musikalischen Wegbegleitern auf der Gästeliste?

Blanco: Ich weiß es noch nicht …

MM: Andere würden sicherlich ein Jubiläumsalbum auf den Markt bringen.

Blanco: Alben gibt es schon genug von mir. Für mich ist das Publikum das Wichtigste. Das Publikum hat es mir erlaubt, 60 Jahre im Showbusiness zu sein. Dafür muss ich Danke sagen.

MM: Also wird es im kommenden Jahr doch etwas Besonderes von und mit Roberto Blanco geben?

Blanco: Ich habe etwas im Kopf. Aber ich bin kein Mensch, der vorher viel erzählt und dann passiert nichts.

MM: Auf der Insel gewesen sind Sie schon unzählige Male. Auftritte, TV-Drehs und so weiter. Ist es für Sie etwas Besonderes, auf Mallorca zu landen?

Blanco: Ich habe in Madrid studiert, mein Vater hat damals in Barcelona gelebt. Schon in den 50er Jahren bin ich das erste Mal auf Mallorca gewesen. Nicht als Sänger, sondern als Urlauber. Später wurde ich für das Tito's engagiert, es gab viele weitere Auftritte, auch fürs Fernsehen, für Reisebüros und in Hotels. Und auch mal Ärger mit dem Mega-Park an der Playa de Palma. Aber den Prozess habe ich gewonnen. Die mussten mich voll bezahlen. Danach folgten noch weitere Galas in Hotels auf der Insel.

MM: Sie sind nur übers Wochenende auf Mallorca. Warum nutzen Sie die Gelegenheit nicht, um ein paar Tage länger zu bleiben?

Blanco: Weil ich zu tun habe. Ich bin ein Sänger, der immer noch Termine hat, ich muss arbeiten in Deutschland. Trotz meiner 78 Jahre bin ich immer noch aktiv.

MM: Sie sprechen Ihr Alter an. Andere sind da schon längst im Ruhestand. Warum arbeiten Sie eigentlich immer noch?

Blanco: Ich liebe das. Soll ich im Park sitzen und Tauben füttern? Dann bin ich tot. Udo Jürgens hat auch bis zu seinem Tod gearbeitet. Gott sei Dank bin ich gesund und meine Stimme ist noch da. Ich bin kein Beamter mit einer 40-Stunden-Woche. Ich liebe die Musik. Und Musik hält jung.

MM: Ja, Sie machen tatsächlich einen fitten Eindruck. Was tun Sie dafür?

Blanco: Ich weiß nicht. Dafür sorgt wohl der liebe Gott, das sind die Gene. Und die Musik vielleicht.

MM: Ihr Bekanntheitsgrad in Deutschland liegt bei, schätzen wir mal, 98 oder 99 Prozent …

Blanco: 100 Prozent.

MM: Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie oft mit Ihrer Hautfarbe kokettiert.

Blanco: Damit kokettiere ich immer noch.

MM: Sind Sie in Deutschland der integrierteste Farbige, der nicht im Land geboren wurde?

Blanco: Das kann sein.

MM: Ihre Wurzeln liegen nicht in Deutschland. Wie erleben Sie die aktuelle Flüchtlingsproblematik.

Blanco: Ich bin kein Politiker, aber man muss sagen, dass Europa geschlafen hat. Einfach geschlafen. Als Saddam Hussein da war, hat er sein Volk im Irak zusammengehalten. Dann hat man ihn attackiert, er war weg und die Probleme begannen. Jetzt in Syrien dasselbe. Wenn die Bomben fallen, dann müssen die Leute fliehen. Natürlich nach Europa. Wo sollen sie denn sonst hin? Nach China?

MM: Sie sehen die Flüchtlingswelle direkt vor Ihrer Haustür an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland.

Blanco: Ja, und es tut mir leid für die Menschen. Die armen Leute wurden ausgebeutet von Schleppern, die sie hergebracht haben. Und jetzt macht man die Grenzen zu, sodass man lange braucht, um von Salzburg nach München zu kommen. Aber wer bin ich? Ich bin kein Politiker, nur ein Entertainer, der sich Frieden wünscht.

MM: Sehen Sie irgendwo in der aktuellen Diskussion Lösungsansätze für die Probleme?

Blanco: Nein. Wir schreiben 2015, das alles ist schlimm und noch lange nicht zu Ende. Als ich 1954 zum allerersten Mal nach Deutschland kam, war das Land zerbombt. Es ist traurig, dass die Situation so viele Jahre später wieder so ähnlich ist und es überall Krieg gibt. Ich finde furchtbar, was zurzeit auf der Welt los ist.

MM: Wie wichtig ist in der momentanen Situation ehrenamtliches Engagement?

Blanco: Das ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch ich mache, was mir in meinem Rahmen möglich ist, zum Beispiel für "Ärzte ohne Grenzen" oder "Deutschland hilft". Aber damit will ich nicht protzen.

MM: Sie sind 1956 fest nach Deutschland gezogen. Fühlen Sie sich eigentlich als Deutscher?

Blanco: Natürlich. Wie sollte es nach fast 60 Jahren anders sein? Ich sage immer: Europa ist mein Wohnsitz und Deutschland ist mein Salon.

MM: Sie haben eine Rolle in dem Film "Der Stern von Afrika" gespielt, der 1957 in die Kinos kam. Danach kehrten Sie nicht mehr zum Medizin-Studium in Madrid zurück, sondern starteten in Deutschland als Sänger durch, waren später auch Showmaster. Wenn der Film die Produktion eines anderen Landes gewesen wäre, hätte es Sie vielleicht dorthin verschlagen. War es also Zufall, dass Sie gerade in Deutschland heimisch wurden?

Blanco: Hätte, hätte ... Es hätte auch Hollywood sein können. Nein, das war kein Zufall. Es war Schicksal, Kismet. Alles im Leben ist Schicksal. Und ich bin sehr glücklich über mein Schicksal.

MM: Sie wohnen seit einiger Zeit aber nicht mehr in Deutschland, sondern in Österreich. Hat das einen besonderen Grund?

Blanco: Meine Frau Luzandra wollte gerne nach Österreich ziehen. Wir wohnen aber in Salzburg nur zehn Kilometer von der Grenze zu Deutschland entfernt. Und wir sind oft in Deutschland.

MM: Im Herbst waren Sie ohne eigenes Zutun mal wieder in den Schlagzeilen, weil der bayerische CSU-Innenminister Joachim Herrmann Sie in der TV-Sendung "Hart aber fair" als einen "wunderbaren Neger" bezeichnet hat. Was löst so eine Formulierung bei Ihnen aus?

Blanco: Der Mann hat das nicht böse gemeint. Ich glaube, mich haben am Tag danach 70 Journalisten angerufen. Wenn, dann sollte ich mich beschweren, aber der hat das nicht so gemeint. Alle versuchten, auf ihn einzuhauen, aber dafür lasse ich mich nicht missbrauchen. Er hat mich als einen "wunderbaren Neger" bezeichnet. Soll ich darüber sauer sein? Wo leben wir denn?

MM: Sie haben einmal gesagt, dass Ihre Hautfarbe förderlich war für Ihre Karriere …

Blanco: Ja, natürlich. Ich erinnere mich an eine Sendung von Peter Frankenfeld. Da waren viele gute Sänger zu Gast, ich der einzige farbige. Am nächsten Tag bin ich zusammen mit Vico Torriani am Flughafen gewesen und alle haben nur mich angesprochen. Vico meinte "Roberto, ich glaube, ich habe die falsche Farbe". Wenn ich mit Kollegen unterwegs bin, dann bin ich immer der einzige Blickfang. Was könnte bessere Werbung sein?

MM: Sie waren in den vergangenen Jahren immer mal wieder Thema in der Boulevardpresse. Angeblich seien Sie pleite, die Scheidung von Ihrer Frau Mireille sowie das Verhältnis zu ihr und der gemeinsamen Tochter Patricia sorgten für Schlagzeilen. Was sagen Sie dazu?

Blanco: Kurz und knapp: kein Kommentar. Nur so viel: Es wurde sehr viel geschrieben, zu 90 Prozent Mist. Jede Münze hat zwei Seiten. Ein guter Journalist fragt beide Seiten, bevor er etwas schreibt.

Mit Roberto Blanco sprach MM-Redakteur Nils Müller.

(aus MM 47/2015)