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Wenn Reinhold König sagt: "Mallorca ist unsere Insel", dann klingt das gar nicht besitzergreifend. Vielmehr ist aus ihm die Begeisterung herauszuhören, die Mallorca in ihm und seiner Frau hervorruft. Kein anderer Ur- laubsort hat dem reiselustigen Paar aus Stuttgart so gut gefallen wie die Mittelmeerinsel. Und im Falle von Reinhold König hat dieser Eindruck Bestand: Seit einem halben Jahrhundert ist der gelernte Maler und Lackierer immer wieder zu Gast auf "seiner" Insel. Der erste Urlaub im August 1965 jährt sich in diesem Jahr zum "goldenen" Jubiläum.

Vergleicht man Reinhold König in natura mit den Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus seiner Jugend, zeigt sich, dass der sportliche Rentner allenfalls ergraut ist. Kräftig und schlank ist er wie damals, als er sich in Halbstarkenpose warf. "Das war eine verrückte Zeit, das kann man sich kaum vorstellen: Wir trugen einen batteriebetriebenen Plattenspieler mit uns herum, auf dem Elvis-Presley-Scheiben kreisten ..."

In jenem Alter ist er damals auch das erste Mal auf die Insel gereist, mit drei Freunden, alle 18, einer 19 Jahre alt. Die Burschen waren damit nicht einmal volljährig. Als König später mit 20 zu den Fallschirmjägern wollte, musste sein Vater erst die Einwilligung geben ...

Warum gerade Mallorca? Die Jungs kannten den Bodensee, und selbst an den Gardasee hatten sie sich bereits mit ihren Zelten gewagt. "In unserer Stammkneipe schwärmte jemand von Mallorca, da würde die Party so richtig abgehen, also beschlossen wir die Flugreise zu buchen."

Der erste Flug des Lebens. Die Eltern sind strikt dagegen, viel zu gefährlich, so eine Fliegerei. Doch die Teenager setzen sich durch. Das erste Gesellengehalt, ein ganzer Monatslohn von 500 bis 600 D-Mark, muss herhalten, für zwei Wochen Pauschalreise mit Flug, Hotelunterkunft und Halbpension. "Das klingt nicht viel, aber es war für die damalige Zeit eine Menge Geld."

Der Flug war ein einziges Fest, kaum einer der Passagiere hatte zuvor die Wolken von oben gesehen. Wohl auch wegen dieses Hochgefühls saß das Geld während des dreistündigen Direktfluges mit der Propellermaschine recht locker: "Bier, Whisky, Wein, und dazu viel geraucht. Kaum einer der Reisenden kam nüchtern in Palma an." König erinnert sich genau, die Fluggäste trugen Anzug. Auch er hatte sich um seinen Hals seinen schicken roten Schlips gebunden.

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In Palma ist es bereits dunkel, das Quartett, allesamt Sportschwimmer, trifft gegen 22 Uhr im Hotel Riu San Francisco an der Playa de Palma ein, stellt die Koffer unausgepackt im Zimmer ab und geht sofort an die Bar, wo man rasch die ersten Worte auf Spanisch lernt, "Cerveza", welches dann auch bald in Strömen fließt. "Aber man darf das mit dem Alkohol nicht überbewerten: Sicher haben wir viel gefeiert und auch viel getrunken, aber trunkene Exzesse, wie man sie heute am Ballermann überall sieht, gab es bei uns nicht. Dass sich einer von uns übergeben hat, aus der Rolle fiel oder ohnmächtig am Boden lag - kam nicht vor!"

Für die Jungs beginnen paradiesische Tage. Im Speisesalon führt ein altgedienter Oberkellner das Regiment über ein Heer von Angestellten. Die Kellner sind alle klassisch ausgebildet, jede Hemdfalte frisch gebügelt. "Es wurde alles serviert, alles an den Tisch gebracht von den Kellnern, die linke Hand auf dem Rücken verschränkt, über dem rechten Unterarm ein weißes Tuch geschwungen, in der Hand graziös der Teller mit den Speisen vor dem Gast platziert."

Reinhold König schwelgt in Erinnerungen an das Vier-Gänge-Menü. Erst eine Suppe, dann etwas typisch Spanisches wie Paella oder Tortilla, dann ein Hauptgang mit gegrilltem Fisch oder Fleisch, und abschließend Nachtisch. "Das war für uns wie Weihnachten!" Schon am ersten Tag schloss der Schwabe Freundschaft mit der mediterranen Küche.

Tagsüber schwammen die jungen Männer im Meer - "das war ein Highlight" - abends zog es sie in die Nachtclubs nach Palma, denn rund ums Hotel war außer Dünen kaum etwas geboten. Zum Glück gab es den netten Reiseleiter, ein Herr Blanco, der bestens Deutsch sprach und dem Quartett die In-Lokale zeigte, "die wir alleine nie gefunden hätten". Dort gab es Flamencoshows und Tanz, zu dem Livebands aufspielten. Geflirtet wurde mit britischen oder spanischen Urlauberinnen, radebrechend und mit Händen und Füßen. Höhepunkt der Gefühle: Ein Gläschen Sekt an der Bar. Der Rest ließ sich erträumen, aber nicht verwirklichen. "Die Damen war noch sehr anständig", resümiert König, während seine Frau, die er erst später im Zug zwischen Schwarzwald und Stuttgart kennenlernte, aufmerksam zuhört.

Das Liebesabenteuer, das König 1965 auf Mallorca begann, betraf die Insel. Mit Wehmut reiste er ab, schwor sich, "hier komme ich noch 20-mal her". Daraus wurden tatsächlich 50 Jahre Mallorca-Treue.

(aus MM 12/2015)