Nina Parrón ist Gleichstellungsbeauftragte im Inselrat auf Mallorca. Sie ist mit den Entwicklungen des Gebrauchs von geschlechtergerechter Sprache zufrieden. | Foto: Patricia Lozano

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Das Thema ist nicht neu und doch kocht es in Deutschland immer wieder hoch. Wie wichtig ist geschlechtergerechte Sprache? Und wie weit sollte man dabei gehen? Verfechter werden bis heute oft als „SpinnerInnen” abgestempelt, wie etwa die Grünen, die auf ihrem Bundesparteitag kürzlich den Gebrauch des „Gender-Sterns” beschlossen. Aber wie sieht das bei den Spanier*innen aus?

Was in Deutschland der neue Gender-Stern ist, ist in Spanien das „x” – und zwar schon seit Längerem. „In den vergangenen anderthalb Jahren wird es immer üblicher, nicht ‚todos’ zu schreiben, sondern ‚todxs’”, berichtet Nina Parrón. Sie ist Gleichstellungsdirektorin in Mallorcas Inselrat und davon überzeugt, dass Spanien Deutschland in puncto geschlechtergerechter Sprache deutlich voraus ist. „Die Fortschritte sind enorm. Noch vor 15 Jahren war die Sprache absolut maskulin geprägt, mittlerweile ist es nicht mehr total komisch, wenn jemand diesen Sprachstil verwendet”, findet sie. „Es beginnt, normal zu sein.” Vor allem in offiziellen Schreiben und Ansprachen der öffentlichen Verwaltung sei es gang und gäbe, sich so auszudrücken, dass niemand benachteiligt werde.

Seit 2007 ist das sogar im spanienweit geltenden Gleichstellungsgesetz vorgesehen. Damals habe sich das „@”-Zeichen als Vorgänger vom „x” in der spanischen Schriftsprache eingebürgert. Wörter, die auf das Geschlecht hinweisen, wurden dadurch neutralisiert und bei Personengruppen, die Männer und Frauen beinhalten, wurden „tod@s” eingeschlossen.

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Natürlich könne man auch „todos y todas” schreiben, erklärt Parrón. „Aber vielen ist das zu umständlich.” Auch neue Wörter wurden geschaffen. In Deutschland sind Studenten in den vergangenen Jahren zu Studierenden geworden, in Spanien wurde die Richterin zur „jueza” und die Ministerin zur „ministra”. „Vorher gab es diese femininen Formen nicht”, so Parrón. Auch die Verwendung neutraler Bezeichnungen seien möglich. Aus „niños” (Kindern) könne „la infancia” (Kindheit) werden, aus „ciudadanos” (Bürgern) die „ciudadania” (Bürgerschaft).

Trotz der Erfolge – Podemos-Mitglied Parrón will weiter kämpfen. „Seit acht Jahren versuchen wir, auch auf den Balearen ein Gesetz zu verabschieden, das inklusive Sprache in der öffentlichen Verwaltung vorsieht.” Zwar gelte das spanienweite Gesetz auf den Inseln ohnehin, aber es gehe eben ums Prinzip, um den symbolischen Charakter. „Noch in diesem Jahr wird das Gesetz verabschiedet”, ist Parrón zuversichtlich. Eine andere Frage ist die nach dem Warum. Nicht wenigen Frauen – egal, ob in Deutschland oder Spanien – ist es egal, ob von Ärzten und „medicos” oder von Ärzt*innen und „medicxs” die Rede ist. „Diese Denkweise ist aber nicht der richtige Ansatz”, betont Esperanza Bosch Fiol. Sie ist Psychologieprofessorin an der Balearen-Universität und auf Geschlechterforschung spezialisiert. Es gehe nicht um persönliche Eindrücke, sondern um Gerechtigkeit.

„Sprache sollte die Realität widerspiegeln, denn sie prägt unsere Kultur und unser Bewusstsein.” Wenn etwas nie genannt wird, dann existiere es in den Köpfen der Menschen auch nicht. „Immer nur von Ärzten zu hören, produziert ein Bild von Männern in weißen Kitteln vor unseren Augen.” Dadurch könnten es Frauen im schlimmsten Fall tatsächlich schwerer haben, in diese Posten zu gelangen. „Schon in der Schule muss inklusive Sprache alltäglich werden, dann wird sich das Bewusstsein für die Bedeutung des Themas bald auch auf der Straße immer mehr verbreiten”, appelliert Bosch Fiol.

(aus MM 01/2016)