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Für einen Zuchtbetrieb mit 1,5 Millionen Tieren geht es auf "Sa Caragolera" in Binissalem sehr ruhig zu. Genau genommen hört man gar nichts in dem 1500 Quadratmeter großen Gewächshaus. Sehen tut man sie auf den ersten Blick auch nicht, vielmehr dominieren Reihen von gemauerten Furchen, in denen sich Unkraut sammelt, das Bild.

Erst als Miguel Ángel Salom eine Din-A-4-Plastikseite aus einer Art metallischem Hängeordner nimmt, werden die schweigsamen Tiere sichtbar: Schnecken. Manche sind noch so klein, dass man sie für Schmutz halten kann, wenn man sich nicht auskennt.

Miguel Ángel Salom kennt sich mittlerweile mit den Weichtieren aus. Die Helizikultur, die Schneckenzucht, hat er vor zweieinhalb Jahren mit seinem Vater Toni, einem ehemaligen Bauunternehmer, begonnen. Er hatte sein BWL-Studium abgeschlossen und überlegt, was er beruflich machen könnte. "Richtig viel gab es da nicht", erinnert er sich.

Dann las Vater Toni einen Zeitungsartikel über eine Schneckenzucht in Muro. Warum nicht auch eine alte mallorquinische Tradition wiederbeleben? "Wir hatten dieses Grundstück hier", sagt Toni. Platz war also vorhanden und so bauten sie zunächst ein kleines Gewächshaus.

Dabei lernten sie vor allem eins. Schnecken sind genügsam, aber auch anfällig für Krankheiten. "Keime und Viren sammeln sich im Kot der Schnecken, deswegen haben wir eine Toilette eingerichtet", sagt Miguel Ángel. Die besteht aus einem Ziegelstein, der unter dem Hängeordner steht und regelmäßig gereinigt wird. "Wir beugen Krankheiten vor, wir behandeln sie nicht mit Antibiotika", sagt er. Zurzeit sammelt sich nur wenig Kot.

Die Schnecken sind bei den niedrigen Außentemperaturen nicht besonders aktiv, befinden sich in einer Art Winterschlaf. "Sie haben es gerne warm", sagt Miguel Ángel. Aber auch nicht zu warm: In den Sommermonaten werden sie drei Monate in eine Art künstlichen Winterschlaf versetzt. Die Zeit nutzen die beiden, um Salat auszusäen, das Lieblingsessen der Schnecken. Im Frühjahr und Herbst, bei Temperaturen um die 20 Grad, fühlen sie sich am wohlsten.

Und Ruhe brauchen sie natürlich auch. Sprichwörtlich im Schneckentempo muss alles ablaufen. "Wenn man die Tiere zu oft umsetzt, geraten sie unter Stress und sterben", sagt Miguel Ángel.

Zwei Arten züchten sie hier, die Bover Müller, die kleinere Art und die Bover Máxima, die größere. Für das Vater-Sohn-Gespann ist die Finca ein Fulltime-Job. Nicht nur die Pflege der Anlage, das regelmäßige Gießen und das Aussäen, auch die Auswahl der "reifen" Schnecken ist Handarbeit. "Sie müssen am Rand ihres Hauses eine feste Schale haben", sagt Salom Junior. Rund neun Monate braucht eine Schnecke, um erwachsen zu werden. Dann sind sie reif, werden gereinigt und kommen in den Verkauf - lebend. Das wissen vor allem Gastronomen der Insel zu schätzen. "Die Tiefkühlschnecken sind oftmals zäh wie ein Korken", sagt er.

Eine Kundin kommt auf den Hof gefahren, möchte drei Kilogramm "Bover"-Schnecken kaufen. Dass die Tierchen mit Kilopreisen zwischen neun und elf Euro rund dreimal teurer sind als die Tiefkühlware aus dem Supermarkt, nimmt Caty Borrás gerne in Kauf.

"Wir sind Mallorquiner, bei uns haben Schnecken eine große Tradition", sagt sie. Jedes Dorf habe sein Rezept. "Am wichtigsten ist das Aioli", sagt sie, die Knoblauchsoße. Wenn die Schnecken frisch sind, nehmen sie den Geschmack der Gewürze besser an, sagt Miguel Ángel. "Man tötet sie mit heißem Wasser, wie einen Hummer", erklärt er und schaut dann etwas verlegen.

Was man aus Schnecken zaubern kann, zeigt dann Mama Salom. Die Familie hat in einem ehemaligen Lagerhaus vor einem Jahr ein Restaurant eingerichtet und bietet dort Verköstigungen mit Wein vom benachbarten Weingut José Ferrer, Aioli in drei Varianten, selbst gemachtem Olivenöl und natürlich Schnecken in allen Variationen. "Wir bieten auch ein Alternativgericht an", sagt Toni Salom, falls jemand keine Schnecken essen wolle.

Oftmals erlebe man aber Überraschungen. "Ein Deutscher hatte unser Entrecôte als Alternative bestellt, dann aber sämtliche Schneckengerichte mitgegessen." Wer das Restaurant auf der Finca in Binissalem besucht, bekommt nicht nur Schneckengerichte aller Art, zubereitet von Miguel Ángels Mutter, sondern vorher auch eine Führung durch die Schneckenzucht.

(aus MM 7/2015)